Essen. Das Grillo-Theater ist geschlossen, aber es wird geprobt: Mit Oscar Wildes Komödie „Bunbury“ geht Schauspieler Dennis Bodenbinder an den Start.
Was wollte er als Kind nicht alles werden: Förster, Höhlenforscher, Bauarbeiter, Zahnarzt, Lokführer, Dompteur, Zirkusdirektor oder Schornsteinfeger. Dennis Bodenbinder wurde stattdessen Schauspieler mit einer zweiten großen Leidenschaft für die Natur. Seine erste große Rolle am Grillo-Theater als Lebemann Algernon in „Bunbury – Ernst ist das Leben“ nennt er einen „Vertrauensvorschuss“. Ob er den wegen der Corona-Entwicklung zum Premierentermin am 5. Dezember einlösen kann, ist ungewiss.
Eine freie Bühne begeistert ihn für das Theater
Am Rande von Bielefeld wuchs er auf und „weder die Eltern noch Geschwister hatten etwas mit Theater am Hut“. Über ein Schulprojekt bekam er Kontakt zum dortigen Alarm-Theater, dem er über das Abitur hinaus treu blieb. „Ich habe da Halt gefunden. Es war wie in einer Familie. Wir haben zusammen gegessen, die Bühne geputzt, alle Prozesse begleitet. Die Stücke waren collagenhaft zusammengestellt. Es ging um Rechtsextremismus, Flucht und wir haben mit Senioren gearbeitet“, so Bodenbinder, der sich mit privatem Schauspielunterricht in Hamburg ausprobierte, bevor er sich an Schauspielschulen bewarb.
Weil das Vorsprechen Geld kostet, suchte er sich in seiner Heimatstadt erstmal einen Job und betreute in der diakonischen Einrichtung Bethel Autisten. 2016 konnte er mit seiner Ausbildung in Leipzig beginnen. „Darauf hatte ich jahrelang hingefiebert“, sagt der 27-Jährige. Das Szenen- und Monologstudium und die beiden praktischen Jahre am Schauspiel Köln hätten ihm am meisten gebracht, berichtet er. Auch sich immer mal wieder infrage zu stellen, war ihm wichtig. „Wenn heute etwas nicht läuft, gehe ich konstruktiv damit um.“
In Essen einen guten Ort für den Berufsstart gefunden
In Essen lief es von Anfang an bestens. „Ich habe mich gleich wohlgefühlt. Es ist so herzlich hier. Das Ensemble nimmt einen an die Hand. Es ist ein gutes Haus für den Berufsstart“, meint Dennis Bodenbinder, der derzeit in den Proben zu „Bunbury – Ernst ist das Leben“ steckt. Sein Ziel: „Ich möchte mit mehr Selbstverständlichkeit auf der Bühne stehen.“
Als Algernon kann er sich bei seinem Debüt mit einer großen, vielschichtigen Rolle in Oscar Wildes berühmter Komödie unter Beweis stellen. Neben Stefan Migge als Mitstreiter Jack spielt er einen Londoner Lebemann, der den kranken Freund Bunbury erfindet, um sich außerhalb der Stadt vom Nichtstun zu erholen. Da der auf dem Land lebende Jack es ihm gleichtut, droht das doppelte Doppelspiel aufzufliegen.
Ein bodenständiger Typ mit Vorliebe für Zelt-Urlaub
„Ich finde es witzig, vor allem in der Übersetzung von Elfriede Jelinek“, befindet Dennis Bodenbinder und beschreibt den Genussmenschen als einen, der permanent nach Ablenkung sucht und stets berechnend vorgeht, aber „eigentlich ein verletzlicher Mann ist“. Der extravagante Typ, der Schampus trinkt, sei er selbst nicht, erklärt der Schauspieler. „Ich bin der Advokat der Figur.“
Dennis Bodenbinder ist ein bodenständiger Typ mit der Vorliebe für Zelt-Urlaub in Norwegen. Er läuft, wandert, steigt auf Berge, schwimmt, spielt Fußball oder guckt Spiele von Arminia Bielefeld und lacht viel im Gespräch. Natürlich möchte er als Schauspieler arbeiten, bis er 80 ist. Wenn das nicht möglich sein sollte, „könnte ich mir vorstellen, dass ich genauso glücklich anders weiterleben kann“. Eine kleine Auswahl an Berufswünschen hat er seit Kindertagen im Kopf.