Essen. Viele Weihnachtsmärkte werden abgesagt – allerdings nicht der Essener. Wie finden das die Bürger? Eine Umfrage auf der Straße.
Die Freunde Raphael Mündelein, 21, und Dylan Arning, 20, kommen seit einigen Jahren aus Velbert zum Essener Weihnachtsmarkt. Sie befürworten die Öffnung der Buden und Stände in Essen – trotz Corona. „Solange zwischen den Tischen genug Abstand ist und die Leute Masken tragen, wenn sie ihre Plätze verlassen, muss man keine Angst haben“, sagt Mündelein. „Auch wenn Corona alles dominiert“, sagt Arning. „Mit dem nötigen Respekt geht das schon.“
Während in anderen Städten im Revier, etwa Gelsenkirchen und Duisburg, angesichts der stark steigenden Corona-Zahlen Weihnachtsmärkte abgesagt werden, stehen auf dem Kennedyplatz bereits die ersten Glühweinstände. Am 13. November geht es los, sieben Tage in der Woche wird er geöffnet sein. Essen-Marketing-Chef Richard Röhrhoff hat zusammen mit der Landesregierung NRW ein Sicherheitskonzept entwickelt, das auch andere Städte übernehmen.
Passanten sind für Weihnachtsmarkt in Essen – solange es Corona-Maßnahmen gibt
Die beiden Freunde Mündelein und Arning mochten in der Vergangenheit am meisten die Cocktails am Stand Sixth Sense. „Die heißen Caipirinhas und Kakao mit Rum sind großartig“, sagt Arning. Sie kommen am liebsten am Wochenende mit bis zu zehn Freunden. Sie wollen sich nicht vorstellen, wie ein Jahr ohne den Essener Weihnachtsmarkt wäre. „Das hat einfach viel mit Tradition zu tun, der Geruch von Plätzchen und Glühwein. Sehr idyllisch“, sagt Arning.
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Auch Ahmed Mohammed, 23, sagt, er freue sich, wenn der Weihnachtsmarkt stattfindet. „Im Irak, wo ich aufgewachsen bin, gab es sowas nicht.“ Er gehe meist mit Freunden und Familie hin. „Besonders schmeckt mir der Glühwein“, sagt er und lacht. Carmen Martinez, 55, ist skeptisch, ob sie den Weihnachtsmarkt diesen Winter besucht. „Ich würde erst mal gucken, wie voll es da ist und ob es vernünftige Maßnahmen gibt“, sagt sie. „Es ist eine schwierige Frage, ich bin jetzt gerade noch auf der Kippe.“ Persönlich freue sie sich, wenn es klappt. „Ich kaufe da gerne Weihnachtsgeschenke und Tee.“ Man dürfe ja auch nicht vergessen, dass es für die Betreiber ein wichtiges Geschäft sei. „Die Kleinunternehmer, die dahinter stehen, verdienen in der Zeit viel Geld.“
Betreiberin hofft, dass der Weihnachtsmarkt dieses Jahr ausfällt
Eine der Betreiberinnen ist Erika Kalwa. Sie verkauft mit ihren beiden Töchtern gebrannte Mandeln und Früchte im Schoko-Mantel. „Ich wünsche mir, dass der Weihnachtsmarkt abgesagt wird“, sagt die 80-Jährige. Normalerweise stehe sie direkt gegenüber von Café & Bar Celona, da sei viel Laufkundschaft vorbei gekommen. „Mit dem neuen Sicherheitskonzept stehe ich jetzt weiter unten“, sagt sie. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir so viel einnehmen, dass wir die hohe Miete bezahlen können“, sagt sie. „Das ist jetzt ein finanzielles Risiko für uns. Ich habe Bauchschmerzen, wenn ich dran denke.“
Karsten Karys, 26, bezeichnet den Weihnachtsmarkt als „essenziell“. Es sei bestimmt ein fantastischer Ort, um Corona zu vergessen. „Hier kann man Süßes und einen Backfisch essen, Glühwein trinken. Das entspannt.“ Gerade in diesem Jahr hätten das viele nötig. „Aber ich zweifele noch sehr, ob die Maßnahmen nicht mehr Schein als Sein sind“, sagt er. „Hier tummeln sich viele, trinken, verlieren die Hemmung.“ Vielleicht sei es besser, man setze mal ein Jahr aus – auch wenn Weihnachtsmarkt grundsätzlich wichtig für die Psyche sei.
„Dann kommen doch alle zu uns nach Essen und bringen Corona mit“
„So viele Städte sagen ihre Weihnachtsmärkte ab, nur Essen nicht. Das ist unvernünftig“, sagt Sarah Schöller. „Dann kommen doch alle zu uns nach Essen und bringen Corona mit“, vermutet die 60-Jährige. „Ich habe dafür wenig Verständnis.“
Tanja, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, blickt mit gemischten Gefühlen auf den anstehenden Weihnachtsmarkt. „Ich liebe ihn, vor allem den mittelalterlichen Teil, das Feuer, die Lichter, die schöne Stimmung an den Buden vorbei zu laufen“, sagt sie. Die Maske nehme ihr aber die Freunde an den Dingen. Wenn dort eine Maskenpflicht herrsche, gehe sie eher nicht hin.
„Was wir dieses Jahr nicht brauchen, sind Massenbesäufnisse.“ Sie persönlich habe kein Problem damit, mal alleine zu Hause zu bleiben.“ Für das gesellschaftliche Gesamtgefüge wäre es aber gut, wenn der Markt – unter gewissen Regeln – stattfinde, sagt sie. „Wir sind alle soziale Wesen, wir sehnen uns nach Zusammenhalt.“