Essen. Essens Marketing-Chef Richard Röhrhoff hält den Weihnachtsmarkt für ungefährlich, eine Absage würde indirekt sogar die Corona-Gefahr verstärken.
Es wirkt auf manchen wie Dickköpfigkeit, aber die Stadt Essen glaubt gute Gründe zu haben, weshalb der Weihnachtsmarkt in der Innenstadt trotz der Corona-Pandemie wie geplant stattfinden soll. Ein Gespräch mit Richard Röhrhoff, Geschäftsführer der Essen Marketing GmbH (EMG), die den Essener Budenzauber organisiert.
Herr Röhrhoff, die Infiziertenzahlen in Essen steigen und steigen, trotzdem soll der Weihnachtsmarkt nicht abgesagt werden. Ist das zu verantworten?
Ja, eindeutig. Wir müssen uns von Fakten leiten lassen: Der Essener Weihnachtsmarkt wird 130 Stände haben, nur etwas mehr als die Hälfte in früheren Jahren. Es wird Maskenpflicht geben, auch die Zahl der Besucher wird deutlich geringer sein. Das heißt, das Gedränge, das man mit Weihnachtsmärkten verbindet, wird es in diesem Jahr nicht geben. Vor allem aber spielt sich alles draußen unter freiem Himmel ab. Vom Infektionsgeschehen her ist das bislang vollkommen unauffällig. Ich würde soweit gehen und sagen: Das Ansteckungsrisiko auf dem Weihnachtsmarkt ist gleich null, wenn sich alle an die bekannten Regeln halten.
Aber viele andere Städte haben ihre Weihnachtsmärkte abgesagt. Sind die alle überängstlich?
Einige auf jeden Fall. Ansonsten muss man sich die Gründe im Einzelnen anschauen. Wenn man wie in Duisburg sehr viel Weihnachtsmarkt-Gastronomie in geschlossenen Räumen anbieten wollte, ist das natürlich riskanter als bei uns. In Aachen hatte man Angst vor Gästen aus dem nahen Belgien. In Dortmund und Soest gibt es ähnliche Konzepte wie in Essen, und auch die halten an ihrer Veranstaltung fest.
Trotzdem fragen sich viele Essener, ob ein Weihnachtsmarkt in die Zeit passt. Nicht wenige fordern eine Absage.
Noch mal: Wir müssen in der Corona-Krise alles unterlassen, was zu riskant ist, das ist unstrittig und da ist jeder Einzelne gefragt. Aber ein Besuch zum Beispiel im Supermarkt wird gefährlicher sein als ein Gang über den diesjährigen Weihnachtsmarkt, jede Kneipe ist gefährlicher als unser offener Glühweingarten. Wir werden weder Saufgelage dulden noch Nachlässigkeiten bei der Maskenpflicht. Die Security wird bei Verstößen durchgreifen. Wir haben ein gutes Hygienekonzept, und ich habe allen Standbetreibern eingeschärft: Achtet im eigenen Interesse darauf, dass es eingehalten wird. Denn wenn etwas passiert, ist die Veranstaltung sofort vorbei. Aber es gibt noch eine andere Überlegung dafür, dass wir daran festhalten.
Nämlich welche?
Wenn wir den Menschen, die etwas erleben wollen, nichts mehr bieten, dann sinkt die Ansteckungsgefahr nicht etwa, sondern sie wächst. Wo stecken sich die meisten denn mit Covid-19 an? Vor allem bei Zusammenkünften im privaten Rahmen. Und genau dort treiben wir sie hin, wenn es noch nicht mal die Möglichkeit gibt, sich im kleinen Kreis auf dem Weihnachtsmarkt zu treffen. Das heißt: Eine Absage des Weihnachtsmarktes wäre nicht nur logisch falsch, sie kann sogar schaden. Das gilt übrigens auch für die Eisbahn, die wir ebenfalls anbieten wollen.
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Was ist mit den Niederländern und Belgiern, die in früheren Jahren busweise zum Essener Weihnachtsmarkt kamen? Wir reden immerhin von Hochrisiko-Gebiete mit sehr hohen Infiziertenzahlen.
Wir kennen die Bus-Unternehmen und haben uns umgehört. Die Bereitschaft und Lust, nach Essen zu fahren, ist in diesem Jahr sehr gering. Wir rechnen allenfalls mit einer gewissen Zahl von individuell anreisenden Niederländern. Aber auch das wird sich sehr in Grenzen halten.
Eine komplette Budengasse kommt raus
Der Internationale Weihnachtsmarkt Essen findet zum 48. Mal statt: vom 13. November bis zum 23. Dezember 2020.
Aus Platzgründen und um alles luftiger und corona-tauglicher zu gestalten, werden etliche Buden erstmals auch in der Kettwiger Straße, im I. Hagen und auf dem Platz vor dem Grillo-Theater aufgestellt. Am zentralen Kennedyplatz soll eine komplette Budengasse herausgenommen werden.
Nun gibt es gerade bei Corona auch die Ebene der Symbolpolitik. Weihnachtsmarkt-Trubel erscheint irgendwie deplatziert, wenn es andererseits Forderungen gibt, wieder mehr zuhause zu bleiben. Ist das nicht verständlich?
Wir sollten uns bei allen Entscheidungen zur Eindämmung des Coronavirus von Logik und Rationalität leiten lassen, nicht von Gefühlen oder autoritären Gesten, die in der Sache gar nichts bringen. Und wir dürfen auch nicht, Entschuldigung, jedem Geschrei folgen. Hier bin ich mir mit dem Oberbürgermeister und dem Verwaltungsvorstand völlig einig. Wir riskieren die Akzeptanz der sinnvollen Maßnahmen, wenn wir wahllos auch die sinnlosen durchzusetzen versuchen.
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