Essen. Stadt Essen bietet ein Melde-Portal für Corona-Verstöße an. Bundestagsvize Kubicki (FDP) sieht „chinesische Verhältnisse“. Stadtdirektor empört.

Die kontroverse Debatte um ein Melde-Formular auf der Internetseite der Stadt Essen schlägt weiterhin hohe Wellen. Das digitale Angebot ermöglicht es Bürgern bereits seit Mai dieses Jahres, online Verstöße gegen die Corona-Regeln gegenüber dem Ordnungsamt anzuzeigen. Der FDP-Bundespolitiker und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sprach im Netzwerk Facebook nun sogar von „chinesischen Verhältnissen in Essen“.

Wolfgang Kubicki fühlt sich an „schlimmste Zeiten“ erinnert

Damit nicht genug, Kubicki legte noch eins drauf: „Die Tatsache, dass Bürgerinnen und Bürger jetzt im amtlichen Auftrag zu Denunzianten gemacht werden und Fotos aus dem öffentlichen Raum hochladen sollen, erinnert an schlimmste Zeiten.“ Der Bundestagsvize und stellvertretende Vorsitzende der FDP will damit offenbar Vergleiche zur NS-Zeit oder zum Stasi-Apparat der DDR nahelegen.

Auch interessant

Mit Angeboten wie dem städtischen Formular „schiebt man Angst und Misstrauen in unsere Gesellschaft“, moniert Kubicki. „Fehlt nur noch, dass die Abschnittsbevollmächtigten prozentual am Bußgeld beteiligt werden.“ Der Bundestagsvize und Rechtsanwalt schließt seinen Facebook-Beitrag mit einer Forderung: „Dieses Denunziationsportal ist mit Sicherheit rechtswidrig und sollte sofort gelöscht werden.“

Stadtdirektor Renzel: Diese Attacke ist völlig unter der Gürtellinie

Peter Renzel, Gesundheitsdezernent und Stadtdirektor, hat Kubickis harsche Kritik namens der Stadt zurückgewiesen und fordert, ebenfalls via Facebook, eine Entschuldigung. „Ja, geht’s noch! Das ist völlig unter der Gürtellinie“, so Renzel. Für einen Vizepräsidenten des Bundestags sei diese Attacke „wahrlich nicht angemessen“. Kubicki habe es bisher nicht einmal für nötig befunden, bei der Stadt nachzufragen. Dann, direkt an Kubicki gewandt: „Ich finde Ihren Post mehr als daneben. Sie sollten ihn löschen und sich entschuldigen.“

Laut Stadt dient das Melde-Formular lediglich der leichteren Kanalisierung von Informationen, die ohnehin das Amt erreichten. Verstöße gegen die Corona-Regeln könne man so schon im Vorfeld verhindern. „Nie haben wir das Formular beworben oder aktiv dazu aufgefordert, Verstöße zu melden“, so Stadtsprecherin Jasmin Trilling. Von einem Denunziationsportal könne keine Rede sein. „Es ist ein Tool, das Unterstützung liefern sollte, nicht mehr und nicht weniger“, ergänzt Renzel, der einigen Kritikern „Hetze“ und eine „unfassbare Fäkalsprache“ attestiert.

Zweifellos lässt sich das Formular auch zum Melden von Mitbürgern nutzen

Zweifellos können Nutzer das Ordnungsamt allerdings auch in wenigen Schritten über einen mutmaßlichen oder vermeintlichen Regelverstoß informieren, der von Nachbarn oder anderen Bürgern ausgehen kann. Felder wie „Ort des Verstoßes“, „Art des Verstoßes“ und „Nähere Beschreibung des Verstoßes“ müssen dazu ausgefüllt werden, es besteht auch die Möglichkeit Fotos anzuhängen. Per Mausklick wird die Meldung dann ins Rathaus gesendet.

Die WAZ hat den Vorgang unterschiedlich kommentiert, hier kritisch und hier eher verständnisvoll