Essen. Die Stadt Essen motiviert mit ihren Meldesystemen zum Anschwärzen von Corona-Regelbrechern. Daran dürfen wir uns nicht gewöhnen. Ein Kommentar.
Der überwiegende Teil unserer Gesellschaft hat sich in den vergangenen zwei Monaten – wenn auch schweren Herzens – damit abgefunden, enorme Einschnitte zu akzeptieren. Weitestgehend diszipliniert haben wir zum Schutz unseres Gesundheitssystems staatlichen Anordnungen Folge geleistet. Doch bei allem Verständnis für die Krisen-Maßnahmen, manches – so wie das Corona-Meldesystem der Stadt – hinterlässt ein ungutes Gefühl.
In seiner Art erinnert das Online-Formular „Melden eines Verstoßes gegen die Coronaschutz-Verordnung“ an Programme autoritärer Regime – wenngleich es unseren Behörden fürwahr hierbei nicht um das Melden von „Staatsfeinden“, sondern vielmehr um Bolzplatz-Kicker, Gruppen-Spazierer und Masken-Verweigerer geht.
Corona-Sünder im Visier
Nun hatte die Stadt Essen mit ihrer „Mängelmelder“-App schon vor den zuvor undenkbaren Einschränkungen unserer Bewegungsfreiheit ein System entwickelt, mit dem Bürger einfach Schlaglöcher und Dreck-Ecken und Schmierereien melden können. Dass das Programm mal dazu dienen würde, dass Bürger ihr Handy aus der Tasche ziehen wie einen Colt, um andere ins Visier zu nehmen, die gegen Verordnungen verstoßen, hätte auch bei der Stadt kaum jemand geglaubt.
Ausgeprägte Vorsicht ist bei Menschen, die zu Risikogruppen gehören, verständlich und auch geboten. Die Angst vor dem Virus kann man nicht einfach wegwischen. Dass aber manch einer argwöhnisch darüber wacht, dass sich seine Mitmenschen an Abstandsregeln und Distanzgebote halten und sich bei Zuwiderhandlung durch die städtischen Meldewege zum Hilfssheriff berufen fühlt, darf nicht auch zu den Veränderungen zählen, an die wir uns mit der Zeit einfach gewöhnen.