Essen. Die Essener können Verstöße gegen Corona-Regeln per Onlineformular melden. Stadt erntet Shitstorm, weist Vorwurf der Denunziation aber zurück.

Die meisten befolgen die ständig aktualisierten Coronaschutzbestimmungen ohne zu murren, andere hingegen scheren sich überhaupt nicht um Vorschriften und Regeln. Doch wie soll man sich gegenüber Corona-Sündern verhalten? Wegschauen und schweigen? Sie direkt ansprechen? Oder sie beim Ordnungsamt melden? Wohl kein Zufall: Seit Essen zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde, geht das Thema „Verpetzen“ in den sozialen Medien viral.

Insbesondere die Stadt Essen sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, ihre Bürgerinnen und Bürger geradezu zur Denunziation zu verleiten. Doch Stadtsprecherin Jasmin Trilling reagiert auf den Shitstorm und weist den Anschwärz-Anwurf entschieden zurück.

Stein des Anstoßes ist das schon zu Beginn der Corona-Krise eigens von der Stadt entwickelte Online-Formular zum „Melden eines Verstoßes gegen die Coronaschutzverordnung“. Nutzer können das Ordnungsamt in wenigen Schritten über einen mutmaßlichen Regelverstoß informieren. Felder wie „Ort des Verstoßes“, „Art des Verstoßes“ und „Nähere Beschreibung des Verstoßes“ müssen ausgefüllt werden, es besteht auch die Möglichkeit Fotos anzuhängen. Per Mausklick wird die Meldung ins Rathaus gesendet.

Stadt betont: Das Online-Formular diene der Kanalisierung von Informationen

In einer Twitter-Nachricht hat die Stadt am Montagvormittag auf die Empörungswelle reagiert. Das Online-Formular diene lediglich der „Kanalisierung von Informationen“, die das Ordnungsamt andernfalls telefonisch oder per E-Mail erreichen würden. Weiter heißt es: „Zu keiner Zeit haben wir das Formular beworben oder aktiv dazu aufgefordert, Verstöße zu melden.“

Im Durchschnitt gehen im Rathaus seit Beginn der Corona-Krise täglich zehn Meldungen über Verstöße gegen die Corona-Regeln ein, etwa die Hälfte per Online-Formular.

Auf keinen Fall solle das Formular dazu dienen, den Nachbarn beim Amt zu verpetzen, bekräftigt die Stadtsprecherin. „Vorrangig geht es uns darum, Verstöße bereits im Vorfeld zu verhindern.“ Gemeint sind beispielsweise größere Sportveranstaltungen wie etwa Fußballturniere, bei denen sich Verstöße gegen die Corona-Regeln abzeichneten. Trilling: „Es geht um das große Infektionsgeschehen, wir wollen Schaden von den Menschen abwenden.“

FDP nennt Praxis der Stadt „zweifelhaft“ und hinterfragt „Datenschutz-Konformität“

Zuspruch erfahren Kritiker des Online-Formulars unterdessen von der FDP-Fraktion im Essener Stadtrat. Die Liberalen nennen die Praxis „zweifelhaft“ und hinterfragen „Datenschutz-Konformität und Nachhaltigkeit“. Der ordnungspolitische Sprecher Eduard Schreyer erklärt: „Besonders fragwürdig erscheint uns die anonymisierte Meldefunktion, die darüber hinaus auch die Zusendung von Bildmaterial implementiert.“ Die FDP pocht darauf, die „Freiheitsrechte abgebildeter Personen zu wahren“.

Gleichzeitig bezweifelt die FDP, dass die Kapazitäten des Ordnungsamtes ausreichten, alle eingegangenen Meldungen zu verfolgen und auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Grundsätzlich stellt der FDP-Ratsherr fest: „Es ist originäre Aufgabe des Staates, mutmaßliche Verstöße aufzudecken und zu sanktionieren, und nicht die einzelner Bürgerinnen und Bürger.“

Die Stadtsprecherin macht deutlich, dass bei einer Privatanzeige, aus der ein Ordnungswidrigkeitenverfahren hervorgehen könne, sehr wohl Name und Anschrift des Zeugen erforderlich seien. Bei Meldungen zu geplanten Veranstaltungen hingegen reiche zur weiteren Recherche ein anonymer Hinweis.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Essen. Den Essen-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]