Essen. CDU hat eine erste Gesprächsrunde mit möglichen Koalitionspartnern hinter sich gebracht. Wiederwahl Vogels (SPD) stärkt Anhänger des „Weiter so“.

Erst mal reden sie ja nur. Aber wenn denn die schlichte Dauer der ersten Sondierungsgespräche Anzeichen dafür liefert, welche Fahne in den kommenden fünf Jahren über dem Stadtrat weht, dann deutet nach diesem Wochenende einiges auf Schwarz-Grün: Beinahe fünf Stunden haben die Christdemokraten am Sonntag im Hotel Atlantic mit den Grünen zusammengehockt, das war ungefähr das Dreifache jener Zeit, die man einige Tage zuvor mit der SPD verbrachte. Und doch: Entschieden ist nichts, es soll eine zweite Runde geben.

Bis dahin rettet sich alle Welt in die üblichen Freundlichkeits-Floskeln über „konstruktive“ und „vertrauensvolle“ Treffen in „angenehmer Atmosphäre“. Was übersetzt bedeutet: Wir sagen nichts, nicht jetzt; bloß die möglichen Partner nicht vergrätzen. Nur andeutungsweise sticheln die Genossen Richtung Grüne, da hätten ja nun auch ein paar „Traumtänzer“ viel Einfluss, und die Grünen wiederum erinnern daran, dass man mit ihnen ja die Gewinner und die Zukunftsthemen und mit den Sozis die Verlierer und die Vergangenheit an seine Seite hole.

Nur zwei Varianten

Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün – diese beiden politischen Farb-Kombinationen gelten mit dann 51 bzw. 46 Stimmen als die einzig machbaren Konstellationen im künftig 86-köpfigen Essener Stadtrat.

Denn sowohl die CDU als auch die SPD haben Koalitionen mit AfD oder Linken ausgeschlossen bzw. als abwegig bezeichnet. Auf die Ratsmehrheit von 44 Stimmen (inklusive Oberbürgermeister) käme ansonsten nur Rot-Grün (= 37 Sitze) zuzüglich mindestens sieben weiterer Stimmen aus drei Gruppierungen – undenkbar.

Kandidat Kern zum Trotz: Die SPD-Fraktion bleibt bei ihrer Linie

Immerhin lautet die Erkenntnis von Montagnachmittag, dass es überhaupt noch zwei mögliche Konstellationen für satte Ratsmehrheiten gibt. Will sagen: Die Sozialdemokraten bleiben im Rennen um die Gestaltungsmehrheit in der lokalen Politik und halten die Tür für eine Neuauflage der großen Rats-Koalition mit der CDU offen. Darauf hätte nicht jeder gewettet, wo doch OB-Kandidat Oliver Kern vor der Wahl die Arbeit der Ratsfraktion überraschend scharf kritisiert und eine spürbar „linkere“ Politik angemahnt hatte.

Stattdessen dokumentiert die am Montagabend erfolgte klare Wiederwahl von Ingo Vogel zum Fraktionschef der mittlerweile nur noch 21-köpfigen Rats-SPD: Die Mehrheit scheint nach wie vor überzeugt, dass die Genossen in der GroKo gute Arbeit geleistet und gar keine so schlechte Figur gemacht haben. In seiner Fraktion, die mit vielen Neulingen auch aus dem „linken“ Lager aufwartet, kam Vogel auf 16 Stimmen, nur zwei votierten gegen ihn, drei Ratsmitglieder befinden sich derzeit in Corona- Quarantäne.

Auch in der anschließenden Vorstandssitzung der Genossen stand am Abend eine Absage an weitere Gespräche mit der CDU nicht zur Debatte. Streit unter den Sozialdemokraten? Iwo, Parteichef Thomas Kutschaty, der dieser Tage seine Ambitionen für die NRW-Parteispitze angemeldet hat und keinen Hauskrach gebrauchen kann, sieht seine Partei „tiefenentspannt“.

Ingo Vogel (links), alter und neuer SPD-Fraktionschef – hier mit Parteichef Thomas Kutschaty am Wahlabend – darf sich durch seine Wiederwahl im Kurs bestätigt fühlen.
Ingo Vogel (links), alter und neuer SPD-Fraktionschef – hier mit Parteichef Thomas Kutschaty am Wahlabend – darf sich durch seine Wiederwahl im Kurs bestätigt fühlen. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Zwei Wettbewerber bedeuten womöglich weniger Zugeständnisse

Das dürfte vor allem die Christdemokraten freuen, für die ein Wettbewerb unter zwei möglichen Partnern schließlich auch bedeutet, ausloten zu können, bei wem da weniger Zugeständnisse erforderlich sind. Dass die Zusammenarbeit mit den Genossen bis zum Schluss fast geräuschlos lief und die Grünen von sich selber sagen, in der Sondierung „nicht nur Harmonie mit Soße“ ausgegossen, sondern auch „knifflige Punkte angesprochen“ zu haben, erhöht die Spannung, wer am Ende den Zuschlag bekommt.

Die zweite Gesprächsrunde soll zunächst mit der SPD in den nächsten Tagen anberaumt werden, danach lädt die CDU in den Herbstferien erneut die Grünen zum Stelldichein. Das vorsichtige Abtasten dürfte dann auch sein Bewenden haben, wie CDU-Parteichef Matthias Hauer vorab signalisierte: „Wir wollen sicher nicht auf Dauer mit zwei Partnern parallel verhandeln.“

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