Essen. Schillernde Erscheinung und sportlicher Tempomacher auf dem Klassik-Parkett: Teodor Currentzis setzt in der Essener Philharmonie Glanzpunkte.

Er gilt als eine der schillerndsten Figuren auf dem Klassik-Parkett. Mit Sicherheit ist Teodor Currentzis der derzeit elastischste Gymnastiker auf den Dirigenten-Pulten der Eitelkeit und ein medaillenverdächtiger Olympionike, wenn es um Rekordmarken in Sachen Dynamik, Tempo und Widerborstigkeit geht. Und zwar in alle Richtungen, was seinen Mozart-Projekten Wertungen von „total genial“ bis „völlig abgedreht“ einbrachte. In der Essener Philharmonie stellte sich der 48-jährige Grieche am Pult des erstaunlich groß besetzten SWR Symphonieorchesters mit einem Programm vor, das Currentzis ästhetischen Extremismus schadloser überstehen kann als Mozart & Co.

Helmut Lachenmann, Prinzipal der deutschen Avantgarde, war in Essen persönlich dabei

Nach 25-minütiger Verspätung ging der Maestro mit Helmut Lachenmanns „Musik mit Leonardo für Sprecher und Ensemble“, „…zwei Gefühle…“, erfreulich diszipliniert um. Der rhythmisch und klanglich ausgefeilten Ausführung der zersplitterten Partitur merkte man Currentzis Respektvor Lachenmann an, dem Prinzipal der deutschen Avantgarde, der im November 85 Jahre alt wird und in Essen den Text Leonardos persönlich mit neutraler Stimme rezitierte.

Bei der anschließenden „Battalia“ für Streicher und Basso Continuo des Barock-Meisters Heinrich Ignaz Franz Biber lockerte er die Zügel und entfaltete ein vitales, von Extremen beherrschtes klangliches Schlachtengemälde. Von säuselnder Zuckersüße bis zu brutalen Gewaltattacken lässt Currentzis keine Übertreibung aus, wobei sich ihm die noch impulsivere Geigerin Patricia Kopatchinskaja als eine kongeniale Partnerin erwies, die nicht nur die Violine beherzt strich, sondern auch durch das Orchester wirbelte und die große Trommel schlug. Ein originelles, effektvolles Spektakel, von den Musikern des SWR Symphonieorchesters natürlich perfekt ausgeführt.

Begeisterter Beifall für ein faszinierendes Konzert

Nahtlos ließ Currentzis diesem Treiben die ätherischen Klänge Giacinto Scelsis folgen. „Anahit“ nennt der öffentlichkeitsscheue Komponist sein „Lyrisches Poem über den Namen der Venus“ für Violine und 18 Instrumente. Hörenswert, mit welchem Raffinement Currentzis die einzigartig sinnliche Klangwelt des 1988 verstorbenen Italieners hörbar machte. In diesem Teil zeigte Currentzis unverstellt sein Talent, das er leider so oft mit exzentrischen Extravaganzen überlagert. Begeisterter Beifall für ein in jedem Fall spannendes, in Teilen sogar faszinierendes Konzert.