Essen. Teodor Currentzis Konzerte elektrisieren das Publikum immer. In Essen riss der Dirigent das Publikum mit, stellte es aber auch auf die Probe.
Zur bombastischen Final-Hymne erhoben sich die acht Hornisten, wie es der Meister fordert, von den Plätzen, um im dreifachen Forte selbst die Trompeten noch zu übertönen. Eigentlich verbietet sich nach einem Monolithen wie Mahlers „Erster“ mit ihrem erschlagend strahlenden D-Dur-Schluss jede Zugabe.
Und doch setzte Teodor Currentzis auf seine Weise noch eins drauf. Er schickte die vor Begeisterung kopfstehenden Zuhörer in der vollbesetzten Essener Philharmonie wahrhaftig in eine viertelstündige Pause, um anschließend mit Giacinto Scelsis „Okanagon“, einer fernöstlich inspirierten Meditation für Harfe, Gong und Kontrabass, die übrig gebliebenen Besucher scharenweise aus dem Saal zu vertreiben.
Teodor Currentzis: musikalisch ein Vulkan, auch in Essens Philharmonie
Sein Image als Klassikrebell pflegte er indes nur durch sein jugendlich-schwarzes Outfit samt Stiefeletten und roten Schnürsenkeln. Musikalisch gibt er sich als Vulkan, als Pultmagier in vollem Körpereinsatz, der sein SWR Symphonieorchester mit modellierender, schaufelnder, bremsender Gestik minuziös im Griff hat.
Eine glückliche Symbiose, die äußerst spannendes, ja seismografisches Musizieren garantierte. Wie mystisch ließ er im Kopfsatz die Natur erwachen (die Holzbläser des Orchesters sind ein Pfund!), den Trauermarsch ins Tänzerische gleiten, um schließlich unbändiges Chaos gegen sanfteste Weltentrückung auszuspielen.
Der Wahlrusse Currentzis liebt Extremwerte, es gab tosenden Applaus
Der Wahlrusse mit griechischen Wurzeln liebt Extremwerte in einem kristallin überbelichteten, transparenten Klangbild. „Tod und Verklärung“ nahezu zeitlich entstanden, pendelte Currentzis entsprechend zwischen Straussischer Leidenschaft und verschleierter Nachtsphäre aus, bei aller Detailliebe doch den Blick stets auf den großen dramaturgischen Bogen gerichtet. Am Ende Exitus letalis, Stille, dann tosender Applaus.