Essen-Horst. Mit Fleiß und Ausdauer hat Turgay Tahtabas in rund 30 Jahren Erfolgsgeschichte geschrieben. Im fremden Land: Er kam aus der Türkei nach Kray.
Dass er mit einem eigenen Büro in den Essener Osten zurückkehren würde, hätte Turgay Tahtabas vor rund 31 Jahren nicht zu hoffen gewagt. Da sprach der heute 54-Jährige kaum Deutsch. Als Straßenreiniger für die Essener Entsorgungsbetriebe kehrte er an seinem ersten Arbeitstag im Hörsterfeld. Nach vielen Jahren als Müllmann gründete er 2015 das „Zukunft Bildungswerk“, das viele nur mit dem Norden der Stadt verbinden. Doch auch im Osten leben Zuwanderer, die in Deutschland Fuß fassen wollen – und das mit seiner Hilfe nun können.
Turgay Tahtabas selbst ist allen dankbar, die ihm geholfen haben, eine neue Heimat zu finden. Eine Integrationsgeschichte wie aus dem Bilderbuch nimmt 1989 ihren Lauf. Turgay Tahtabas, Sohn eines Grundschullehrers, verlässt seine türkische Heimat in Zonguldak am Schwarzen Meer. Mit Ehefrau Türkan – bereits seit 1974 in Essen zuhause – will er eine Familie gründen. „Türkan war Pflegehelferin in einem Altenheim. Ich hatte in der Türkei eine Ausbildung als Hotelier absolviert.“ Die Hochzeit fand in der Türkei statt. In Essen wohnt das Paar zunächst auf 54 Quadratmetern an der Krayer Straße 294.
Sprache als Schlüssel zum Glück im fremden Land
„Mein Schwiegervater war ab 1965 Bergmann auf Zeche Katharina in Kray“, erzählt Tahtabas. „In der Türkei ging es mir gut. In Deutschland wollte ich mir auch etwas aufbauen.“ Dass die Sprache der Schlüssel zum Glück in einem fremden Land ist, hat der heutige Geschäftsführer nicht vergessen. Ein kurzer Satz öffnet ihm in Essen die Tür zu einer neuen Kultur: „Ich möchte bitte sechs Brötchen.“ Seine Frau hatte mit ihm die Aussprache geübt. „An meinem zweiten Tag in Deutschland schickte sie mich zum Krayer Bäcker. Wir waren jung genug, beide drei Brötchen verdrücken zu können.“
Tahtabas will die Sprache richtig lernen: Zwei Abende pro Woche büffelt er Deutsch in der VHS an der Hollestraße. „Das reichte mir nicht.“ In der Zeche Carl lernt er freiwillig mehr. „Meine Frau kaufte ein altes Fahrrad, damit bin ich dreimal wöchentlich zum Sprachkurs geradelt.“
Nur ein Ehepartner durfte arbeiten
Ende 1990 wird Sevilay geboren, die erste Tochter. Jetzt darf Tahtabas in Deutschland arbeiten. Von seiner Frau, die mit dem Baby zuhause bleibt, kann er die Arbeitserlaubnis übernehmen. „Anders ging das rechtlich für Ausländer nicht. Nur immer ein Ehepartner durfte arbeiten.“ Zwei Jahre später kommt Sohn Levent (heute Ingenieur bei Evonik) auf die Welt, 1997 noch Elif, die jüngste Tochter. „Für sie haben wir einen Schrebergarten im Kleingärtnerverein am Lunemannsiepen gepachtet. Wir waren die einzige türkische Familie auf 63 Parzellen.“
Das nehmen die Tahtabas als Chance, sich mit deutschen Gepflogenheiten und Gartenzwergen vertraut zu machen. Sie verbringen viele glückliche Stunden Zeit im grünen Paradies mit Apfelbaum zum Klettern, bauen Gemüse an und knüpfen Kontakte zu anderen Kleingärtnern. Die staunen über Tahtabas reiche Tomatenernte. Fazit: Ein gemeinsames Hobby verbindet, da spielt die Herkunft keine Rolle. 14.000 Mark muss Tahtabas für den Garten bezahlen. „Viel Geld. Meine Kollegen haben mir einen Vogel gezeigt!“ Doch die Parzelle ist eine gute Investition in die Zukunft: „Unsere Kinder konnten im Schrebergarten nach Herzenslust spielen und toben. Es gab eine Schaukel und überall Freunde zum Spielen.“
Nach einem Jahr zur Müllabfuhr versetzt
Bei Hitze geht’s in den Pool, zum Schlittenfahren an weißen Wintertagen in den Krayer Volksgarten. Da saust auch der stolze Papa auf dem Schlitten die Wiese herunter. Spaß. Nach einem Jahr bei der Straßenreinigung hat er sich zur Müllabfuhr versetzen lassen, um mehr zu verdienen. 1997 kann er sich eine größere Wohnung leisten. Die Familie zieht an die Vierhandbank 65 in Kray. Die Kinder haben ein eigenes Zimmer.
Zur Arbeit ist sich Tahtabas nicht zu schade. Abfalleimer im Süden der Stadt zu leeren, macht ihm nichts aus, auch wenn er im Müllwagen in der zweiten Reihe sitzen muss. Doch für seine Kinder wünscht er sich Besseres und sorgt für deren gute Schulbildung. Er sorgt zudem für sportliche und musikalische Förderung.
Eingliederung im Verein wurde erleichtert
Im TVG Steele 1863 lernt das temperamentvolle Trio Turnen, Schwimmen und Ski fahren. „Im Verein kamen sie mit Deutschen zusammen. Das hat die Eingliederung enorm erleichtert.“ Alle Kinder der Tahtabas haben studiert. Die ersten zwei stehen auf eigenen Füßen, die Jüngste lebt noch zu Hause. Das liegt seit 1999 ganz im Norden der Stadt, in Karnap. Im sanierten Zechenhaus mit Garten blickt die Familie zurück. Mittlerweile haben Eltern und Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit.
„Mit Pflichten und Möglichkeiten“, betont Tahtabas. 2018 erhielt er von Ministerpräsident Armin Laschet für vorbildliche Integrationsarbeit das Landesverdienstkreuz. Seine Erfahrungen bringt er seit fünf Jahren ins Unternehmen ein. Das „Zukunftswerk Bildung“ ist sozusagen sein viertes Kind. Und das will nach Karnap, Altenessen, der Stadtmitte und Bochold auch das Hörsterfeld erobern.