Essen. Auf einem Bauernhof in Kettwig feiert die Essener CDU den Wahlsieg. Auf Alkohol müssen die Christdemokraten verzichten, auf OB Kufen lange warten
Das Wort vom Stallgeruch, den ein Politiker brauche, wird am Sonntagabend mit neuer Bedeutung aufgeladen: Bei Bauer Im Brahm in Kettwig werden alle Kandidaten der CDU in einen würzigen Duft getaucht. Traktor, Feuerkorb, Bierzeltgarnituren unterm Scheunendach sorgen für ein stimmungsvolles Ambiente. Nur Alkohol gibt es nicht, aber wie sagt der Landtagsabgeordnete Fabian Schrumpf: „Wenn das Ergebnis stimmt, ist die Euphorie so groß – wer braucht da Alkohol?“
Dass die CDU ihren Wahlabend nicht wie sonst im Rathaus feiert, erklärt Parteichef Matthias Hauer mit den Abstandsregeln, die man dort nicht hätte einhalten können: „Dort kamen an Wahlabenden regelmäßig über 100 Menschen in einem engen Raum zusammen, das konnten wir in Zeiten von Corona auf keinen Fall machen.“ Auf dem Hofgelände verteilen sich die Gäste dagegen locker.
„Solche Luxussorgen hätten wir vor zehn Jahren gerne gehabt“
Die Stimmung ist dabei mit vorsichtig optimistisch zu beschreiben: Jene 60 Prozent, die eine WDR-Umfrage Oberbürgermeister Thomas Kufen bescheinigt hat, sehen Polit-Profis wie Unterstützer eher skeptisch. „Auf die 60 setze ich nicht, aber wir nehmen alles ab 50 plus eins“, sagt etwa Hauer. Später wird an den Tischen diskutiert, ob Kufen am Ende wohl 50, 51, 52 oder gar 55 Prozent erzielen wird. „Solche Luxussorgen hätten wir vor zehn Jahren gerne gehabt“, scherzt Hauer.
Da ist es schon kurz vor acht, der Oberbürgermeister selbst ist immer noch nicht in Kettwig aufgetaucht: Kufen habe die Stimmauszählung zunächst im Rathaus verfolgt. Er wolle wohl erst sicher sein, dass er tatsächlich nicht in eine Stichwahl müsse. Die Parteifreunde vor Ort feiern derweil die Etappensiege, umjubeln jene Kandidaten, die ihr Ratsmandat sicher haben. Auch in Stadtteilen wie Altendorf oder der Innenstadt, die die CDU mindestens unverhofft gewinnt. Ein Erfolg, der indes auch dazu führen wird, dass die Liste wohl nicht ziehen wird, dass bekannte Ratsleute dem nächsten Rat nicht angehören werden. „Aber ich freue mich erstmal für Thomas Kufen“, sagt etwa Ratsfrau Barbara Rörig tapfer.
Der Wahlsieger lässt auf sich warten - und kommt dann in prominenter Begleitung
Um 20.59 Uhr trifft der Wahlsieger dann endlich ein, begleitet von Ministerpräsident Armin Laschet: Sie reißen die Wahlpartygäste von den Bierbänken. Jubel bricht aus. Laschet nimmt die Stimmung auf, dankt Kufen, führt munter aus, dass es in praktisch allen großen Städten im Land Stichwahlen geben werde: „Nur eine große, bedeutende Stadt, die zehntgrößte Stadt Deutschlands, eine Stadt im Herzen des Ruhrgebiets… hat Thomas Kufen gewonnen.“ In den Applaus fügt Laschet verschmitzt hinzu: „Das sage ich überall! Das Wort Stichwahl kennt man Essen überhaupt nicht.“
Dann zollt er dem OB persönlich Respekt: „Thomas Kufen, Du hast es geschafft!“ Er freue sich, dass Kufen am Montag im Bundesvorstand der CDU zu Gast sein werde: „Dann werden wir den anderen mal zeigen, wie Sieger aussehen.“ Nach Minuten nur verabschiedet sich der Ministerpräsident: Er habe leider „noch kein Flugtaxi“ und müsse sich daher auf den Rückweg machen: Um 21.45 Uhr wird er in der TV-Elefantenrunde erwartet.
Am Ende des Tages wird die Euphorie den Alkohol ersetzen
Kufen wiederum strahlt: „Ich bin froh, hier bei meiner CDU-Familie zu stehen.“ Es hätten deutlich mehr Menschen der CDU ihre Stimme gegeben als die klassischen CDU-Wähler. „Die CDU ist Volkspartei und deshalb gewinnen wir Wahlen.“ Eine Schlussfolgerung, die mit großem Applaus bedacht wird. Kufen wiederum dankt nach den Wählern zunächst seinem Mann, dann all den Unterstützern, die seinen Wahlsieg mit ermöglicht haben: „Wir haben eine echte Mannschaftsleistung gezeigt.“
Er mahnt aber auch: „Die Probleme der Stadt werden nicht kleiner, wir stehen demütig vor der großen Herausforderung. Aber: Ich kann mich auf Euch verlassen und Ihr könnt Euch auf mich verlassen.“ Ein gutes Schlusswort, auf dass noch ein Schlussgag folgt: „Wahlkampf macht Spaß, wenn man gewinnt. Jetzt könnte ich noch zwei Wochen anhängen.“ Im Gespräch verrät der OB Minuten später, dass die Anspannung erst langsam abfalle, er nun fühle: „Es ist ein großartiger Tag.“
Und so ist an diesem Abend in Kettwig endlich die Euphorie da, die selbst den Alkohol ersetzt.