Essen. Menschen, die Schlangestehen, um zu wählen, sind bei uns ein ungewohntes Bild. Aber 2020 ist vieles anders. Die Bedingungen wurden unterschätzt.
Vor dem Hotel Petul, unweit der Zeche Zollverein, stehen sie Schlange, an der Alfredstraße auch - ebenso an vielen weiteren Wahllokalen in Essen und in NRW. Wähler, die ihre Stimme abgeben wollen. Woran es tatsächlich liegt, dass viele Wähler anno 2020 nicht nur ihren eigenen Stift zur Wahl, sondern auch eine Portion Geduld mitbringen mussten, wird sicher in den kommenden Tagen noch durch die Wahlleiter erörtert.
Eins scheint aber schon jetzt festzustehen, die Rahmenbedingungen, unter denen die Kommunalwahl in diesem Pandemie-Jahr stehen, wurden vielfach unterschätzt.
Rüdiger Lohse vom Wahlamt der Stadt Essen ist froh, dass in der Ruhrmetropole die Zahl der Wahlräume im Vergleich zur Kommunalwahl 2014 nicht verringert wurde, wie es viele andere Städte getan haben. Grund ist, dass Altenheime beispielsweise coronabedingt als Wahllokal nicht in Frage kommen. In Essen wurden dennoch die Zahl der Wahlräume und Wahlkabinen aufrechterhalten. Man habe schon geahnt, dass es sonst zum Stau vor der Urne kommen könnte, heißt es aus dem Wahlamt.
Wahlämter müssen ihre Lehren ziehen
Dass sich in Essen vielerorts nichtsdestotrotz am Sonntag Schlangen bildeten, liegt zum einen sicher daran, dass die Schlangen wegen des Hygiene-Abstands bis auf die Bordsteine reichten, wo Wähler normalerweise im Vorraum warten. Zum anderen spielt wohl auch eine Rolle, dass es dieses mal vier bzw. fünf Wahlzettel (Integrationsratswahl) gibt, statt zwei bzw. drei wie vor sechs Jahren. Dem Vernehmen nach dauert das Kreuzchensetzen deshalb bei manchem Wähler länger als sonst.
Nun ist die Pandemie hoffentlich bis zur nächsten Wahl (Bundestagswahl 2021) überstanden, doch falls nicht, sollten die Wahlämter ihre Lehren ziehen. Eine halbe Stunde oder länger anzustehen, um wählen zu dürfen, ist sehr unbefriedigend – es ist nicht auszuschließen, dass mancher darüber die Geduld verlor. Und dabei geht schon nur rund jeder vierte Wahlberechtigte überhaupt noch am Wahltag selbst wählen.
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