Essen. In Essen erklingen an zwei Tagen alle neun Beethoven-Symphonien in der Bearbeitung für Klavier. Eine Herausforderung für Künstler und Publikum.

Franz Liszt sei Dank: Seine Bearbeitungen der neun Symphonien Ludwig van Beethovens für Klavier ermöglichen Aufführungen der Orchesterwerke in idealer Corona-Besetzung auch unter strengen Hygieneregularien. In fünf Konzerten stemmte das Klavier-Festival Ruhr die Mammutaufgabe, an zwei Tagen in der Neuen Aula der Folkwang Universität alle neun Symphonien zu präsentieren, ausgeführt von acht jungen Interpreten.

Ausgerechnet die jüngste von ihnen, die 19-jährige Amerikanerin Lauren Zhang, hatte die schwere Bürde zu tragen, den Zyklus mit der 9. Symphonie zu beschließen. Der Symphonie, die alle gewohnten Dimensionen sprengt und deren Chor-Finale selbst Liszt an seine Grenzen stießen ließ. Die Pianistin, die relativ kurzfristig für den verhinderten Joseph Moog einsprang, meisterte die Herkulesaufgabe hervorragend. Nicht nur, was die pianistisch-manuellen Fähigkeiten betrifft, sondern vor allem in ihrem Verständnis für die Besonderheiten der Liszt-Transkriptionen.

Da wurden Rekordmarken in Sachen Dynamik und Tempo angestrebt

Sie war einige der wenigen Interpreten des Wochenendes, die begriffen, dass es Liszt nicht um eine effektvoll virtuose Überfrachtung der Symphonien ging, sondern darum, die melodischen und formalen Strukturen der Stücke klarer herauszustellen und den Ausdrucksgehalt der Musik zu vertiefen. Insofern verwundert es nicht, dass sich Liszt mit pianistischen Zutaten sehr zurückhielt. Das wurde nicht in jedem Beitrag so deutlich wie in Lauren Zhangs „Neunter“ oder Sergei Redkins „Eroica“.

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Bei allem Respekt vor dem eindrucksvollen und kräftezehrenden Einsatz von Claire Huangci, die gleich zwei große und denkbar unterschiedliche Brocken wie die „Pastorale“ und die Siebte Symphonie hintereinander bewältigte, schien sie die Werke vor allem auf virtuosen Hochglanz zu trimmen und Rekordmarken in Sachen Dynamik und Tempo anzustreben. Vom musikalischen Kosmos der Musik blieb da einiges auf der Strecke, womit sie an dem Wochenende nicht allein geblieben ist.

Trotz Abstandsregeln: Einer darf uns nahe kommen – nämlich Ludwig van Beethoven

Jeweils etwa 100 Zuschauer folgten dem Konzertreigen mit großer Aufmerksamkeit, ein Drittel davon hielt über die gesamte Distanz durch. Intendant Franz-Xaver Ohnesorg sollte recht behalten mit seinem Bekenntnis: „Auch wenn wir die Abstandsregeln derzeit strikt einhalten müssen, gibt es einen, der uns sehr nahekommen darf, nämlich Ludwig van Beethoven.“