Essen. In Essen sind fast 1100 Lehrstellen unbesetzt. Das ist ein Negativrekord. Arbeitsagentur und Wirtschaft geben die Hoffnung aber noch nicht auf.
Corona hat den Ausbildungsmarkt in Essen gewaltig ausgebremst. Ende August waren noch 1092 Lehrstellen in der Stadt unbesetzt. Das sind 7,5 Prozent mehr als vor einem Jahr und damit so viele wie noch nie zu diesem Zeitpunkt. Es steht nun zu befürchten, dass auch zum Ende des Ausbildungsjahres eine Rekordzahl unbesetzter Stellen steht und hunderte Betriebe in Essen dieses Jahr bei der Azubisuche leer ausgehen.
Die Arbeitsagentur hat die Hoffnung jedoch noch nicht aufgegeben, vielen Jugendlichen doch noch eine Lehrstelle zu vermitteln. „Der Ausbildungsmarkt ist mit einer Verzögerung von sechs bis acht Wochen jetzt erst richtig in Schwung gekommen“, sagt die Chefin der Arbeitsagentur, Andrea Demler. Immerhin 874 junge Menschen suchen derzeit noch einen Ausbildungsplatz. Rein rechnerisch kommen also 1,25 Lehrstellen auf einen Bewerber. Deren Chancen sind damit deutlich besser als in den Vorjahren.
Viele Jugendliche haben sich wohl für Studium oder Berufskolleg entschieden
Nach Angaben der Arbeitsagentur gibt es freie Ausbildungsstellen noch in fast allen Bereichen. Gesucht werden derzeit aber vor allem angehende Verkäufer, Einzelhandels- und Bürokaufleute, Verwaltungsstudenten und Verwaltungsfachangestellte, Bankkaufleute, Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk, Friseure sowie Maler und Lackierer.
Kontakt zur Arbeitsagentur
Für Arbeitgeber: Unter 0800 4 5555 20 oder per Mail an: Essen.Arbeitgeber@arbeitsagentur.de
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Dass der Ausbildungsmarkt derart hinterher hinkt, hat mehrere Gründe. Während des wochenlangen Lockdowns in den Schulen gab es nicht die sonst übliche Ausbildungsberatung. Viele Jugendliche haben sich daher nach der Schule offenbar lieber für ein Studium entschieden oder sind an ein Berufskolleg gewechselt, vermutet der Essener Unternehmensverband (EUV). „Dies liegt hauptsächlich daran, dass im Frühjahr keiner genau wusste, wie sich die Lage weiterentwickelt“, sagt EUV-Hauptgeschäftsführer Ulrich Kanders. Die Folge: Die Bewerberzahlen bei den Unternehmen sind spürbar gesunken.
Erst 630 Lehrverträge im Essener Handwerk geschlossen
Ein Dilemma, das besonders das Essener Handwerk trifft, weil dort schon vor Corona Fachkräfte fehlten. Vor allem im Baugewerbe, bei Malern und den klassischen Verkäuferberufen in der Fleischerei und Bäckerei gibt es zu wenige Bewerber. Erst 630 Ausbildungsverträge waren im Handwerk bis Ende August abgeschlossen. Vor einem Jahr hatten bereits 707 Jugendliche einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. „Der Fachkräftemangel im Handwerk wird sich nun nochmals verschärfen“, betont Wolfgang Dapprich, Hauptgeschäftsführer der Essener Kreishandwerkerschaft.
Dass der Ausbildungsmarkt hinterher hinkt , liegt auch an den Unternehmen. Gerade in kleineren Betrieben dauerte die Besetzung der Ausbildungsstellen wegen Corona in diesem Jahr länger. Viele waren zunächst damit beschäftigt, ihre Prozesse digital aufzustellen. „Bei Personalentscheidungen hinken die Firmen deshalb immer noch rund zwei bis drei Monate hinterher“, meint Kanders. Er geht aber davon aus, dass die meisten Ausbildungsstellen noch im Laufe des Herbsts besetzt werden.
Ausbildungsjahr nach hinten geschoben
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Die Arbeitsagentur hat deshalb zusammen mit den Kammern festgelegt, dass das Ausbildungsjahr nicht wie gewohnt Ende September endet sondern erst Ende Januar 2021. Bis dahin können immer noch Ausbildungen begonnen werden. Laut Kanders hätten die Berufsschulen ihr Angebot der aktuellen Situation angepasst und würden beispielsweise erst im Herbst und Winter Klassen bilden und mit der theoretischen Ausbildung starten.
Die Arbeitsagentur ist derweil vor allem an den Berufskollegs unterwegs, um Jugendliche zu beraten, die dort mangels einer Ausbildungsalternative gelandet sind. „Ihnen wollen wir noch in diesem Jahr Möglichkeiten aufzeigen. Denn wir wollen Warteschleifen vermeiden“, sagt Arbeitsagentur-Chefin Demler.