Essen. Essen ordnet die Betreuung für Jugendliche völlig neu: Es gibt nun nur noch eine Anlaufstelle, wenn diese eine Lehrstelle oder Arbeit suchen.
Mit Beginn des neuen Schuljahres ist in Essen die neue Jugendberufsagentur an den Start gegangen. Das Besondere daran: Künftig haben alle Jugendlichen, die auf der Suche nach einer Lehrstelle sind, nur noch eine einzige Anlaufstelle in der Stadt.
Getragen wird die Jugendberufsagentur von der Stadt mit deren Jobcenter und dem Jugendamt sowie von der Arbeitsagentur. Diese drei Stellen wollen so zusammenarbeiten, so dass die jungen Menschen im Behördendschungel nicht mehr entnervt aufgeben und am Ende gar ohne Lehrstelle dastehen. Denn das passiert derzeit immer wieder. Daniel Terzenbach, Vorstand bei der Bundesagentur für Arbeit, sprach bei der Eröffnung von einem „modernen Verwaltungsverständnis“.
Junge Essenerin profitiert von Jugendberufsagentur
Wie hilfreich eine solche Zusammenarbeit sein kann, zeigt das Beispiel von Janine Adam. Die junge Frau absolviert heute eine Ausbildung zur Floristin. Doch nach der Schule, sagt sie, wusste sie erstmal gar nicht, was sie machen sollte. Sie ging deshalb nach der 10. Klasse weiter zur Schule, wollte die Oberstufe schaffen. „Doch das habe ich dann abgebrochen.“ Wieder stand sie vor der Frage: „Was will ich eigentlich mit meinem Talent machen?“ Irgendwas Handwerkliches, schwebte ihr vor.
Für 15.000 Jugendliche zuständig
Die Jugendberufsagentur wurde bereits 2015 gegründet. Sie kümmerte sich allerdings bislang nur um Jugendliche in schwierigen Lebenslagen. Das konnte Obdachlosigkeit sein, ein abgebrochener Schulbesuch oder der Auszug aus einem Heim. Etwa 800 Jugendliche betreute die Agentur bislang.
Künftig ist die neue Jugendberufsagentur für alle Jugendlichen zuständig. Rein rechnerisch sind das rund 15.000 junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren. Davon lebt der Großteil, nämlich 12.000, in Hartz-IV-Haushalten.
Zu dem Zeitpunkt war sie noch ein Fall, um den sich die Arbeitsagentur gekümmert hatte. Unter anderem bot ihr die Behörde ein berufsvorbereitendes Jahr an und später eine geförderte Ausbildung zur Floristin.
Dann aber zog sie von zu Hause aus. Und mit der eigenen Wohnung war sie plötzlich eine Bedarfsgemeinschaft und somit eine Kundin für Jobcenter. Dort hätte sie ihre gesamte Vorgeschichte nochmals vortragen müssen und hätte auch einen neuen Ansprechpartner bekommen. Auch bei einer Ausbildungsförderung wären dem Jobcenter eher die Hände gebunden gewesen.
Für Janine Adam spielte die unterschiedliche Zuständigkeit der Behörden aber keine Rolle. Sie wurde von der Jugendberufsagentur betreut und hatte so die ganze Zeit immer die gleiche Ansprechpartnerin. Dieses Angebot soll nun allen Jugendlichen in Essen offenstehen.
„Wir wollen nicht, dass jemand verloren geht, nur weil wir das mit den unterschiedlichen Rechtskreisen nicht hinbekommen“, sagte Oberbürgermeister Thomas Kufen bei der offiziellen Eröffnung der Jugendberufsagentur. Tatsächlich, so bestätigt der Leiter des Jobcenters, Dietmar Gutschmidt, gab es in der Vergangenheit immer wieder Jugendliche aus Hartz-IV-Familien, die von der Arbeitsagentur zum Jobcenter übergeleitet wurden, aber beim Jobcenter nie ankamen.
Jugendberufsagentur in Essen hat 100 Mitarbeiter
„Wir wollen Problemlöser für alle Jugendlichen in Essen sein“, betonte daher Andrea Demler, Chefin der Essener Arbeitsagentur. Gerade in der Corona-Situation bräuchten die jungen Menschen umso mehr Hilfestellung.
Um das zu stemmen, wird die Jugendberufsagentur auf 100 Mitarbeiter aufgestockt. Weil es derzeit noch kein Gebäude gibt, wo alle unterkommen können, ist die Jugendberufsagentur auf zwei Standorte verteilt: Für Schüler sitzt sie am Berliner Platz 10 im Haus der Arbeitsagentur. Für Jugendliche, die die Schule bereits verlassen haben, befindet sich die Anlaufstelle Am Fernmeldeamt 15. Wenn einst das neue Bürgerrathaus gebaut wird, soll die Agentur dort ihren Platz finden.
Und noch eine Neuerung ist mit der Jugendberufsagentur verbunden: Die Kooperation mit den Schulen wird verbessert. Das heißt: Die Fachkräfte der Jugendberufsagentur werden in den Schulen präsenter sein und die Einrichtungen bekommen feste Ansprechpartner. Das gilt vor allem für alle Haupt-, Gesamt- und Förderschulen sowie das Gymnasium Nordost sowie die Unesco-Schule. Denn in deren Einzugsgebiet leben viele Familien im Hartz-IV-Bezug.