Essen. Im Essener Club Turock ist ein Schlagzeug aus über 1000 Teilen zu besichtigen – als Mahnmal einer Branche, die um ihre Existenz fürchtet.
Das vielleicht größte Schlagzeug der Welt ist noch bis Samstag, 29. August, im Essener Metal-Club Turock am Viehofer Platz 3 zu besichtigen. Der ist seit März wie alle anderen Clubs und Discos wegen Corona geschlossen. Das Schlagzeug soll Mahnmal in der Krise sein und daran erinnern, dass die gesamte Veranstaltungsbranche derzeit am Boden liegt.
Die Krise treffe eben nicht nur Künstler oder ihn als Betreiber und Geschäftsführer des Turock, sagt Peter Siewert (46). Es gebe viel mehr Bereiche, die unter dem Ausfall von Konzerten, Club-Veranstaltungen und Festivals litten. So auch die Branche von Robert Dietrich (50), Tourmanager und Musiker aus Lünen, dessen Firma Gatetohell Musikinstrumente verleiht. Dietrich ist Erfinder und Erbauer des drei Meter hohen Riesenschlagzeugs, das aus über 1000 Teilen besteht, darunter allein 125 Becken. „Mit fünf Leuten haben wir das Schlagzeug in zwölf Stunden aufgebaut“, berichtet er.
„Eigentlich sollten all diese Schlagzeuge, die hier verbaut sind, jetzt gerade auf Tour sein und bei großen Konzerten oder auf Festivals zum Einsatz kommen“, sagt Peter Siewert, der seit langem mit Dietrich zusammenarbeitet. Viele Bands würden sich Instrumente, Verstärker und anderes Zubehör leihen, um nicht mit zu viel Gepäck unterwegs zu sein.
Alle Tour-Fahrzeuge stehen abgemeldet auf dem Hof
„Auch alle Tour-Fahrzeuge, die zum Beispiel die Instrumente zu ihren Einsatzorten bringen, stehen jetzt abgemeldet herum, statt Geld zu verdienen. Das bedeutet wiederum Ausfälle für die Werkstätten“, beschreibt Siewert die Auswirkungen der Konzertabsagen für alle Dienstleister im Umfeld der Branche.
Drei Heavy-Metal-Konzerte in der Kreuzeskirche
Weil das Turock weiter geschlossen ist, weicht Betreiber Peter Siewert jetzt mit drei Konzerten in die nahe gelegene Kreuzeskirche aus – auch wenn das ein ungewöhnlicher Ort für Heavy Metal sei.
Geplante sind Konzerte, an denen je 300 Besucher teilnehmen können. Diese sollen am 5., 18. und 19. September stattfinden. An letztgenanntem Termin soll die Metallica-Tribute-Band „My’tallica“ auftreten. Infos auf www.turock.de
Ein Ende der Krise sei nicht absehbar, macht sich Peter Siewert keine Illusionen. Der Essener ist eigentlich Elektriker, hatte früher eine Band und ein Tonstudio. Vor 16 Jahren hat er das Turock am Viehofer Platz eröffnet und zur weit über Essen hinaus bekannten Anlaufstelle für Hardrock- und Metalfans gemacht. „Ursprünglich war es nur als Disco gedacht, aber inzwischen machen die Livekonzerte den größten Teil des Geschäfts aus. Wir hatten im letzten Jahr 105 Konzerte und 99 Discos.“ „Viele Bands mögen es, zwischen großen Konzerten auch mal in kleinen Clubs aufzutreten, auch um Leerlauf auf der Tour zu vermeiden“, so der Club-Betreiber.
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Seit dem 13. März fehlten ihm alle Einnahmen aus Veranstaltungen. „Hier unten passen 600 Leute rein, bei Einhaltung aller Regeln dürfte ich hier 28 reinlassen. Was soll das für einen Sinn ergeben.“ Eine Crowdfunding-Aktion habe 57.000 Euro brutto eingebracht. „Eine tolle Aktion, die uns erstmal weitergeholfen hat“, freut sich Siewert über die Unterstützung der Fans.
Wegen Corona hat der Turock-Betreiber den Biergarten reaktiviert
Wegen Corona habe er den Biergarten reaktiviert, um wenigstens ein paar Einnahmen zu haben und den Gästen zu signalisieren: „Wir sind noch da.“ Dort gebe es auch Livemusik. Die Besucher hätten zuletzt eine Ausstellung von drei Art-Workern besichtigen können, die sonst zum Bespiel auf Festivals arbeiten. Jetzt ist das Riesenschlagzeug die Attraktion, die zu den Biergartenzeiten dienstags bis samstags, 15 bis 20 Uhr, besichtigt werden kann. „Bespielen dürfen das Schlagzeug nur Profis nach Anmeldung“, sagt Siewert.
Durch die Corona-Krise habe er jetzt Kontakt zu fast allen Betreibern von Clubs und Discos in der Stadt und wisse, dass es vielen ähnlich oder noch schlechter gehe.
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Und auch vor Corona sei es für viele nicht gut gelaufen. „Die Zeiten, in denen man jeden Freitag, jeden Samstag in die Disco gegangen ist, sind lange vorbei.“ Jugendliche hätten andere Interessen, ließen sich höchstens gelegentlich durch besondere Events anlocken. „Und mal ehrlich, früher ist man auch in die Disco gegangen, um einen Partner kennenzulernen. Heute gibt es dafür Online-Plattformen wie Tinder und Co.“, sagt Peter Siewert, der seine Frau ebenfalls in der Disco kennengelernt hat, wie er erzählt.
Zahlreiche Mitarbeiter sind betroffen
Betroffen von der Krise seien auch die Mitarbeiter. Viele Mini-Jobber habe er verloren, feste Mitarbeiter – allein sechs Kräfte arbeiteten im Büro – seien in Kurzarbeit. „Natürlich haben auch Leute gekündigt, die sich verständlicherweise anders orientiert haben“, sagt der Geschäftsführer, der zu den besten Zeiten über 70 Mitarbeiter hatte.
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