Essen. Essener Clubs bleiben trotz neuer Lockerungen vom Lockdown weiter geschlossen. Großdisco Delta fürchtet wegen hoher Fixkosten um die Zukunft.

Lockerungen vom Lockdown und kein Ende. Seit Montag geht in NRW wieder vieles - vom Saunabesuch bis zum Trödelmarkt. Um zu wissen, dass die Öffnung nicht für alle gilt, muss Delta Musikpark-Geschäftsführer Roman Weiler aber nur den letzten Satz der Nachrichten abwarten: „Clubs, Diskotheken und Bordelle bleiben weiterhin geschlossen“. Weil das noch Wochen so andauern könnte, fürchtet die privatwirtschaftliche Veranstalterszene in der Stadt inzwischen den totalen Zusammenbruch.

Der Essener Delta Musikpark zählt sonst bis zu 150.000 Gäste im Jahr

Dass Tanzpaläste wie das Delta nun in einen Verbotstopf mit Rotlichtetablissements geworfen werden, ist für Weiler ein Problem. Natürlich kann man sich auch in Essens größter Partylocation näher kommen, aber es gibt eben auch viel Platz: Großzügige 17.000 Quadratmeter Grundfläche misst die Disco an der Frohnhauser Straße. Mit großen Indoor-Tanzflächen und offenen Innenhöfen, die verblichenen Industriekulissenschick und robuste Tanzschuppen-Lässigkeit vereinen.

In guten Tagen feiern dort bis zu 5000 Menschen an einem Abend. Aber auch Firmen-Events und private Feiern sorgen dafür, dass der Auftragskalender des Delta-Musikparks sonst gut gefüllt ist. 185 Veranstaltungen haben sie 2019 in der mächtigen Stahlwerkshalle ausgerichtet, etwa die Hälfte waren eigene Events, der Rest Fremdveranstaltungen: von der Firmenpräsentation bis zur Fachschafts-Fete oder den beliebten Weiberkram-Märkten.

„Auch 2020 hätte ein richtig gutes Jahr werden können“, sagt Roman Weiler, der im Jahr durchschnittlich 150.000 Gäste an der Frohnhauser Straße zählt. Doch seit Mitte März kommt keiner mehr. Und der 48-Jährige weiß nicht, wie lange dieser Zustand noch andauert.

Essener Rockförderverein hat einen Brandbrief an den Oberbürgermeister geschrieben

Auch interessant

Während sie in Berlin fragwürdige Schlauchboot-Demos zur Rettung der Clubszene starten, hält das Partyvolk in Essen noch die Füße still. Dennoch gehörte das Delta mit zu den ersten Unterzeichnern eines Brandbrief des Essener Rockfördervereins, in dem die Betreiber von Musikpalette über Hotel Shanghai bis Goethebunker in den vergangenen Wochen bereits auf ihre Notsituation hingewiesen haben. Vor kurzem gab es eine Krisen-Runde mit Oberbürgermeister Thomas Kufen. Das Signal, dass die Regler bald wieder aufgedreht werden können, ist aber wohl noch lange nicht in Sicht.

Auch der von der Stadt aufgelegte Sonderfonds Kultur macht Weiler wenig Hoffnung. An der Stelle, wo im Antragsformular von Gemeinnützigkeit die Rede ist, seien Bewerber wie das Delta raus, fürchtet Weiler, der nun auf das vom Bund beschlossene Konjunkturpaket hofft. „Wir haben noch nie einen Cent öffentliche Förderung gebraucht und wollen das eigentlich auch gar nicht, aber anders ist das Jahr nicht zu überleben“, sagt Weiler.

Denn obwohl er zehn feste Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt hat und an die hundert freie Mitarbeiter ohne Beschäftigung sind, bleiben die Fixkosten beträchtlich. Weiler kommt auf 30.000 Euro im Monat, „auch wenn man alles runterfährt. Ich habe heute ausnahmsweise den Strom angemacht.“

Delta-Chef: „Ich hoffe, dass es der politische Wille ist, uns überleben zu lassen“

Nicht nur die Stromuhr tickt. Ob es Partyplätze wie das Delta nach der Corona-Krise noch gibt, das liege bald nicht mehr im Ermessen der Betreiber, fürchtet Weiler: „Ich hoffe, dass es der politische Wille ist, uns überleben zu lassen.“ Denn trotz der weiteren Lockdown-Lösungen sieht der Geschäftsführer so rasch keine Kompromisslösungen.

Tanzveranstaltungen mit hundert Leuten wären bestenfalls eine Marketing-Geste, wie das wöchentliche Streaming mit DJs aus der Region – und überhaupt nur mit entsprechend hohen Eintrittspreisen zu realisieren, sagt Weiler. Doch der Zug ins Elitäre sei nun mal nicht der Delta-Kurs. „In Ringen tanzen, das ist einfach nicht unsere Attitüde.“

„Wir verkaufen nun mal Gefühle, gute Laune, Beisammensein“, sagt Weiler. Wie sich das auf Sicht mit dem Gebot der sozialen Distanz vereinbaren lassen soll, mag sich der 48-Jährige nicht vorstellen. Man wolle schließlich auch keine Risiken eingehen: „Soll ich zwei, die sich gerade kennenlernen, an der Bar auseinanderscheuchen?“

Als Ausweg könnte sich Weiler auch eine Aussetzung oder zumindest eine Reduzierung der Vergnügungssteuer vorstellen wie in anderen Städten. Der Delta-Chef wünscht sich zumindest eine andere Bemessungsgrundlage, die sich nur auf die Tanzfläche und nicht das gesamte Areal bezieht. Schließlich dürfte auch das Vergnügen in nächster Zeit nur sehr begrenzt als Geschäftsfeld taugen, fürchtet Weiler.

Keine gute Aussichten für Clubs, Diskotheken und Bordelle.