Essen. In Rüttenscheid gibt es die Idee, die provisorische Erweiterung der Außen-Gastros auf Dauer zu belassen. Rü ist aber mehr als eine Gastro-Meile.

Es war naheliegend und notwendig, der vielfältigen Rüttenscheider Gastronomie in der Corona-Krise auch mit unkonventionellen Mitteln zu helfen. Daher hat kaum jemand Anstoß genommen, als die Außenbereiche vieler Restaurants und Cafés mit Zäunen aus Euro-Paletten teils massiv vergrößert wurden und dafür Parkplätze wegfielen. Dass selbst Bäckerei-Ketten die Gunst der Stunde nutzten und sich ausbreiteten, war zwar nicht im Sinne des Erfinders, aber vermutlich aus Gründen der Gleichbehandlung schwer zu verhindern. Sei’s drum. Die Außenbereiche werden überwiegend angenommen, und das ist gut so.

Etwas völlig anderes wäre es nun aber, aus einem der Not geschuldeten Provisorium eine Dauereinrichtung zu machen und damit den ausgewogenen Charakter der Rüttenscheider Straße komplett zu verändern. Denn so wichtig die Gastronomie ist: Eine reine Gastro-Meile ist die Rü gerade nicht, und sie sollte es auch nicht werden.

Monostrukturen sind fast immer schädlich und führen nicht zu lebendigen Stadtvierteln

Monostrukturen sind fast immer schädlich, weil sie dazu neigen, andere Stadtfunktionen zu verdrängen, und sie sind letztlich auch langweilig. Die Düsseldorfer Altstadt oder das Bochumer Bermudadreieck – um nur zwei Beispiele zu nennen – sind mittlerweile eher prekäre Orte als lebendige Viertel. Das sollte nicht der Rüttenscheider Weg sein.

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Rüttenscheid hat mehr zu bieten, beispielsweise einen erfreulich breiten Einzelhandels- und Dienstleistungssektor, den es in dieser Qualität und Dichte in Essen und vielleicht im ganzen Ruhrgebiet kein zweites Mal gibt. Auch diese Unternehmer hatten Probleme durch Corona, auch sie haben Ansprüche, die man nicht vom Tisch wischen darf: etwa Parkraum für die Kunden. Und ganz normale Anwohner mit ihren Mobilitätsbedürfnissen gibt es entlang der Rüttenscheider Straße schließlich zum Glück ebenfalls noch viele.

Im Winterhalbjahr müssen auch wieder andere Bedürfnisse zu ihrem Recht kommen

Wenn Corona eines Tages im Griff ist, gibt es keinen Grund mehr, die Gastronomie im Sommer so großzügig zu privilegieren wie es derzeit geschieht. Deshalb ist die Idee abzulehnen, hier womöglich Fakten für die Ewigkeit zu schaffen, wie es ein Rüttenscheider Bürger mit einer Petition erreichen will. Im Winterhalbjahr sind die vielen Außenplätze ohnehin schlicht nicht nötig und die Parkplätze dann wirklich wichtiger.

Wenn man die Begeisterung der Grünen für die Petition liest, bekommt man allerdings den Eindruck, es geht weniger um die Förderung der Gastronomie als vielmehr darum, den Kreuzzug gegen das Auto fortzusetzen. Der schleichende Wegfall von Parkplätzen ist in Rüttenscheid ohnehin in vollem Gang, da kommt die maßlose Ausweitung der Außengastronomien auf vormaligen Stellplatzflächen gerade recht. Salamitaktik nennt man sowas.