Essen-Rüttenscheid. Rund 150 Lade-Stationen werden in Essen installiert, einige wie in Rüttenscheid in bester Geschäftslage. Das reduziert den Parkraum für alle.
Die Stadt will die E-Mobilität vorantreiben und hat eine neue Initiative zur Vermehrung von Ladesäulen gestartet. Innogy aus Essen und die Firma Allego aus Berlin dürfen deshalb in diesen Tagen zusammen rund 150 zusätzliche Ladesäulen im Stadtgebiet aufstellen. Was auf den ersten Blick unstrittig zu sein scheint und wie guter Service wirkt, hat in der Praxis seine Tücken. Zu jeder Ladestation gehören zwei Parkplätze, die dann nur noch E-Autos zur Verfügung stehen. In Rüttenscheid, wo Parkplätze besonders knapp sind, ist man darüber nicht begeistert.
Schon seit Jahren gibt es am Stern eine Ladesäule, die zwei Parkplätze beansprucht, seit einigen Tagen ist kaum 50 Meter weiter auf der Rüttenscheider Straße in bester Geschäftslage eine weitere hinzugekommen. Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), hält diesen Standort für unglücklich. „Die Parkplätze in Geschäftszentren sind zu wertvoll für Lade-Vorgänge“, sagt Krane. „Ist es wirklich notwendig sie an Stellen zu installieren, die sehr wichtig für den Einzelhandel sind?“ In den Nebenstraßen oder auf größeren Parkplätzen erfüllten die Säulen doch ebenfalls ihre Funktion.
Interessengemeinschaft Rüttenscheid hält die Parkverbote für unverhältnismäßig
Gegen die Förderung der E-Mobilität sei im Prinzip nichts einzuwenden, doch müsse laut Krane die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. „Die bestehenden Lade-Stationen in Rüttenscheid sind doch schon jetzt nicht ausgelastet.“ Neben den beiden am Stern und den beiden neuen an der Rü, zählt Krane noch zwei jederzeit zugängliche Plätze im Parkhaus an der Bertholdstraße dazu, die selten genutzt würden. Und an der Krawehlstraße entstünden bald die nächsten zwei. „Es entsteht der Eindruck, dass die beiden Unternehmen einfach nur ihre Wünsche zu äußern brauchten, die dann alle erfüllt wurden.“ Die Expertise im Stadtteil sei nicht gefragt gewesen.
Bau- und Umweltdezernentin Simone Raskob widerspricht da nicht vehement. Im Rahmen eines 200 mal 200 Meter großen Rasters habe man Innogy und Allego ganz bewusst die Auswahl der exakten Standorte überlassen, sofern diese technisch realisierbar waren. „Wir haben ein Interesse, dass die Standorte gut frequentiert werden – wo genau wissen die Unternehmen dann am besten“, so Raskob.
Stadt Essen verteidigt die Privilegierung von E-Autos als gesetzeskonform
Rücksicht auf die Interessen anderer Verkehrsteilnehmer sei dabei nicht genommen worden. „Der Bundesgesetzgeber sieht die Privilegierung von E-Mobilen und Hybridfahrzeugen ausdrücklich vor.“ Und wo viele Autos parken wollen, seien eben im Verhältnis auch viele E-Mobile unterwegs. Die Kosten für die Ladesäulen trügen allein die Unternehmen.
Innogy-Sprecherin Julika Gang schätzt den Bedarf in Rüttenscheid sehr wohl als hoch ein. Immer wieder höre man Klagen von E-Auto-Besitzern über zugeparkte Lade-Stationen. Der jetzige Bedarf sei nicht die alleinige Richtschnur, da es um Wachstum gehe. „Psychologisch ist es wichtig, dass wir die Infrastruktur anbieten.“ Nur dann wachse die Bereitschaft, ein E-Auto zu kaufen.
Die Stadt wurde mit einem Raster von jeweils 200 mal 200 Metern überzogen
Grundlage der Verteilung war eben jenes Raster, das über die ganze Stadt gelegt wurde. In jedem der 200 mal 200 Meter großen Felder soll es zunächst maximal eine Lade-Station geben. Laut Simone Raskob könne es vorkommen, dass je nach Raster-Grenze die Standorte sehr nah beinander lägen – wie in Rüttenscheid geschehen.
Die Stadtteilpolitiker in den Bezirksvertretungen seien von der Stadtverwaltung informiert worden, durften allerdings nicht entscheiden. „Bei 150 Standorten hätte das Jahre gedauert“, bemerkt die Dezernentin. Zeit sei angesichts der Umweltprobleme aber nicht zu verlieren. Und zum Thema Privileg müsse man sehen, dass auch die E-Autos auf den für sie reservierten Plätzen die üblichen Parkgebühren zu entrichten hätten.
Vorwurf: E-Autos erhalten häufig keine Knöllchen, selbst wenn sie lange an der Säule stehen
Eher Theorie sei das, entgegnet IGR-Chef Krane. E-Autos erhielten häufig auch dann kein Knöllchen, wenn sie weit über die Ladezeit am Stellplatz verblieben und diesen für andere blockierten. „Härteres Durchgreifen könnte hier auch mehr freie Ladeplätze schaffen.“
Rolf Krane mutmaßt ferner, die Unternehmen hätten bei der Standortwahl nicht nur den Service-Gedanken im Kopf, sondern auch den Werbeeffekt in eigener Sache. „Da gehen tausende Menschen vorbei, und der Firmenname ist auf den Säulen zu lesen.“ In jedem Fall dürfe das Gesamtwohl eines Stadtteils nicht über Gebühr durch Sonderinteressen reduziert werden. Das gelte erst recht, wenn die Kapazitäten, die man der Allgemeinheit entziehe, in dieser Menge gar nicht benötigt würden.
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