Essen. Schon vier Monate vor dem geplanten Klinik-Aus bröckelt das Angebot in Altenessen: Zum 1. September macht die Geburtshilfe dicht, Urologie folgt.
Seit zwei Wochen brüten die städtischen Juristen über der Frage, ob ein Bürgerbegehren die geplante Schließung zweier Krankenhäuser im Essener Norden torpedieren darf. Während sich die rechtliche Prüfung als schwere Geburt erweist, schafft Klinikbetreiber Contilia derweil Fakten: Schon zum 1. September, so bestätigte eine Sprecherin auf Anfrage, soll mit Gynäkologie und Geburtshilfe die erste Fachabteilung am Marienhospital dicht machen. Und dabei wird’s nicht bleiben.
Auch das Aus für die dortige Urologie dürfte nach Insider-Informationen deutlich früher erfolgen als zum Jahresende, wenn ohnehin die Schließung des gesamten Altenessener Marienhospitals und des St. Vincenz-Krankenhauses in Stoppenberg ansteht. Dass die Betten womöglich schon Ende Oktober geräumt werden, bleibt aber offiziell noch unbestätigt.
Gut 600 Geburten pro Jahr im Marienhospital waren zu wenig
Anders bei der Geburtshilfe, wo Contilia-Geschäftsführer Jens Egert bereits von einem „begleiteten Übergang in die Frauenklinik des Elisabeth-Krankenhauses“ spricht. Und davon, die Angebote beider Häuser zu „verzahnen“. Den werdenden Müttern und Vätern mag das Versprechen „individueller Begleitung“ manche Sorge nehmen, doch den Frust im Stadtbezirk kann Dr. Martin Schütte, der Chefarzt der Frauenklinik am Marienhospital, damit nicht beseitigen.
Denn mit der Aufgabe der Geburtshilfe im Marienhospital bietet kein Essener Krankenhaus nördlich der A40 mehr diesen Service an. Immerhin 605 Geburten gab es in der Altenessener Klinik im vergangenen
Mehr als jede zehnte Geburt in Altenessen
Zwischen 2010 und 2019 lagen die Geburtszahlen im Altenessener Marienhospital jeweils zwischen 560 und 680. Im vergangenen Jahr waren es 605 – etwa zehn Prozent der Geburten in Essen.
Betriebsbedingte Kündigungen für das ärztliche oder pflegerische Personal der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe gibt es laut Contilia nicht.
Jahr – verglichen mit rund 2500 im Elisabeth-Krankenhaus, fast 1700 im Uniklinikum und etwa 1000 im Krupp-Krankenhaus.
Die sechste gestrichene Geburtshilfe-Abteilung in knapp 25 Jahren
Die wegfallenden Kapazitäten an den anderen Essener Standorten oder – je nach Wohnort – auch jenseits der Stadtgrenzen aufzufangen, gilt nicht als Problem. „Wir würden uns sehr freuen, die jungen Familien aus dem Essener Norden betreuen zu dürfen“, lässt etwa Prof. Rainer Kimmig wissen, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsmedizin Essen.
Und auch bei Contilia verweist man darauf, dass seit 1997 fünf geburtshilfliche Angebote in Essen geschlossen wurden, zuletzt vor sieben Jahren am Katholischen Krankenhaus St. Josef in Werden. Und immer sei es gelungen, die werdenden Mütter „gut zu versorgen“.
Das ungute Gefühl, in den nördlichen Stadtteilen krank und abgehängt zu sein
Mindestens genauso groß wie die Sorge stationärer Unterversorgung scheint deshalb wohl die Wut darauf, in den nördlichen Stadtteilen demnächst nicht nur krank, sondern zugleich auch schlicht abgehängt zu sein. Die 20 Auto-Minuten zum Elisabeth-Krankenhaus in Huttrop oder zu den anderen beiden Häusern, sie werden als Zeichen eines wachsenden Nord-Süd-Gefälles empfunden. Und als echte beschwerliche Hürde, versteht sich, wenn man erst gar kein Auto hat.
Das ungute Gefühl, es dürfte mehr noch als im Falle halbwegs planbarer Geburten die vielen Urologie-Patienten am Marienhospital beschleichen. Dem Vernehmen nach gibt es dort eine OP-Warteliste von mehr als acht Wochen. Und Jahr für Jahr gut 800 Fälle, in denen Notfall-Patienten sofort stationär aufgenommen werden mussten.
Auch sie werden nach den Plänen von Contilia künftig im Norden suchen – und nicht finden.
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