Ach wenn es doch nur der Höhenunterschied wäre: 176 Meter liegen zwischen dem tiefsten Punkt Essens an der Hattramstraße in Karnap und der höchsten Erhebung an der Preutenborbeckstraße in Heidhausen. Die lassen sich überwinden, selbst für Freizeitradler, bei denen der Anteil derer wächst, die nicht auf viel Puste und kräftige Waden setzen, sondern auf den Schub von Elektromotoren.
Ach wenn es doch nur der Höhenunterschied wäre: 176 Meter liegen zwischen dem tiefsten Punkt Essens an der Hattramstraße in Karnap und der höchsten Erhebung an der Preutenborbeckstraße in Heidhausen. Die lassen sich überwinden, selbst für Freizeitradler, bei denen der Anteil derer wächst, die nicht auf viel Puste und kräftige Waden setzen, sondern auf den Schub von Elektromotoren.
Den könnte man gut gebrauchen bei einem anderen Nord-Süd-Gefälle, das die Menschen in dieser Stadt umtreibt: Drei von vier Essener Bürgern empfinden einen beachtlichen sozialen „Höhenunterschied“ zwischen dem Norden und dem Süden der Stadt. Dies hat das NRZ-Bürgerbarometer ergeben, eine wissenschaftlich fundierte, repräsentative Umfrage unter 400 zufällig ausgewählten Essenern.
Immerhin 42 Prozent sehen das soziale Nord-Süd-Gefälle als „sehr stark ausgeprägt“ an, weitere 29 Prozent als „stark ausgeprägt“. 19 Prozent entscheiden sich für den goldenen Mittelwert, und nur eine kleine Minderheit mag davon nichts wissen: Das soziale Gefälle erlebt sie als „sehr schwach“ (2 %) oder „schwach“ (6 %), die übrigen zwei Prozent wussten nicht, was sie dazu überhaupt sagen sollen.
Für manchen vielleicht eine Überraschung: Nicht nur im ärmeren Norden wird das Unbehagen über Ungleichheit empfunden, sondern mit sogar leicht höheren Werten auch im Süden. Und: Es sind vor allem junge Leute, die spüren, dass ein Riss durch die Stadt geht, halbiert von der A 40, dem Ruhrschnellweg, als Wohlstands-Äquator: 85 Prozent der 14- bis 19-Jährigen sehen eine Schieflage.
Stadt solle rigoros gegensteuern
Natürlich wissen dabei alle, dass die Nord-Süd-Regel auch Ausnahmen kennt: Bürgerliche Viertel im Nordwesten, die es locker mit sehr guten Wohnlagen im Süden aufnehmen können. Und soziale Brennpunkte im Südosten, die denen in manchen Teilen Altenessens in nichts nachstehen. „Nord gegen Süd, dieser Gegensatz sei sicher zu simpel gestrickt, findet deshalb CDU-Sozialexperte Dirk Kalweit, „aber es ist ein Symbol für ein soziales Gefälle, das existiert. Die Sozialdaten, die uns vorliegen, stimmen nachdenklich und sind wirklich besorgniserregend“.
Karlheinz Endruschat, wie Kalweit im Sozialausschuss des Rates aktiv, sieht das ähnlich: Jahrzehntelang habe man die schonungslose Analyse verweigert, „aber irgendwann ist das eben nicht mehr zu übersehen“. Im einst so grauen Norden der Stadt grüne Oasen zu fördern, habe „manchen Konflikt überdeckt“, es wuchs buchstäblich Gras drüber.
Jetzt versucht die Politik umzusteuern, zu retten, was zu retten ist. „Alle haben erkannt, wie brisant die Lage ist“, sagt CDU-Mann Kalweit. Er könnte sich Nord-Süd-Patenschaften zwischen Schulen vorstellen, während sein SPD-Gegenüber Endruschat auf das Beispiel Dänemarks verweist und davon träumt, die Stadt „rigoros sozial zu steuern“: etwa mit Zuzugsbeschränkungen in ohnehin belastete Viertel.
Derweil laufen mit zweistelligem Millionenaufwand gerade städtische Projekte an, um in ärmeren Stadtteilen „Starke Quartiere – starke Menschen“ zu fördern. Es ist ein Anfang. Aber nicht einmal die Politik mag blühende Landschaften in Nord und Süd versprechen.