Essen. Ein freudiger Tag für die Karstadt-Mitarbeiter im Limbecker Platz: Die Filiale ist gerettet. Der Konzern wird deutlich weniger Miete zahlen.
Vor der Karstadt-Filiale am Limbecker Platz stehen um kurz vor zehn die ersten Kunden. Eine Lautsprecherdurchsage hallt durch das Center, dass jetzt alle Läden öffnen. Doch hinter den Glasscheiben bei Karstadt tut sich nichts. Noch 14 Minuten wird es an diesem Dienstagmorgen dauern, bis ein Sicherheitsmitarbeiter die Türen aufschiebt. Es wird für die Filiale am alten Althoff-Standort ein historischer Tag werden, dieser 11. August 2020.
Dass Karstadt schließlich um fast eine Viertelstunde verspätet öffnet, hat dieses Mal einen freudigen Grund: Miguel Müllenbach, Chef von Galeria Karstadt Kaufhof, und Oberbürgermeister Thomas Kufen sind um 9.45 Uhr vor die Belegschaft getreten, um zu verkünden: Diese Filiale ist gerettet. Quasi in letzter Minute. Gleichzeitig macht die Runde, dass auch die Karstadt-Zentrale in Bredeney bleiben wird. Damit wird die schon Jahrzehnte dauernde Karstadt-Tradition in Essen doch fortgesetzt.
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„Als ich Herrn Kufen die Rolltreppe herunterfahren sah, begann ich bereits zu zittern“, erzählt Tanja Heisterkamp später völlig aufgelöst. Denn da ahnte sie schon, dass es dieses Mal eine gute Nachricht sein würde, die sie und ihre Kolleginnen erreicht. „Wieso hätte Herr Kufen zu uns kommen sollen, wenn es bei der Schließung geblieben wäre.“
Karstadt-Mitarbeiter durchleben Wochen der Ungewissheit
Als Müllenbach die Entscheidung überbringt, ist zunächst Stille. „Und dann kamen mir die Tränen“, sagt Tanja Heisterkamp. Auch andere Kolleginnen können die Tränen nicht zurückhalten. „Man kann sich nicht vorstellen, was wir in den vergangenen Wochen durchgemacht haben“, sagt sie. Die Hoffnung, dass die Filiale doch noch gerettet werden würde, habe sie nie ganz aufgegeben. Seit 32 Jahren ist Tanja Heisterkamp bei Karstadt, hat im alten Haus am Limbecker Platz in der Kinderabteilung begonnen. „Ich habe quasi ein K auf der Stirn“, sagt sie. Wie sie arbeiten die meisten dort schon Jahrzehnte für das Unternehmen.
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Viele Wochen der Ungewissheit liegen hinter den Mitarbeitern, die an den Nerven gezerrt hat, wie die Betriebsratsvorsitzende Sandra Türnau betont. Geschockt hatten sie am 19. Juni erfahren, dass ihr Haus auf der offiziellen Schließungsliste des insolventen Warenhaus-Konzerns steht, der durch Corona in wirtschaftliche Bedrängnis geraten war. Vor allem aber als vor zwei Wochen die Schilder mit dem Aufdruck „Wir schließen diese Filiale“ aufgehängt wurden, schien alles verloren zu sein.
OB Kufen: „Wir haben um Karstadt gekämpft“
Als am 19. Juni sowohl das Aus für den Kaufhof am Willy-Brandt-Platz sowie für Karstadt am Limbecker Platz verkündet wurde, da war das Entsetzen aber nicht nur bei den Mitarbeitern groß, sondern auch in der Politik. Essen ganz ohne Warenhaus - das konnten sich viele nicht vorstellen.
Umso erleichterter dürfte Oberbürgermeister Thomas Kufen gewesen sein, als er am Dienstag sagen kann: „Wir haben gekämpft und es mit vereinten Kräften geschafft, die Mietsituation von Karstadt hier am Limbecker Platz deutlich zu verbessern.“ Er freue sich vor allem für die Mitarbeiter. Aber es sei auch eine gute Nachricht für die Innenstadt. Und als Kufen gerade gehen will, huscht eine junge Karstadt-Mitarbeiterin an ihm vorbei und sagt „Danke!“
Karstadt schließt langfristigen Mietvertrag im Limbecker Platz ab
Die Verhandlungen zwischen dem Vermieter, der Fondsgesellschaft Union Investment, und Karstadt waren hart. Als Ergebnis steht ein neuer Mietvertrag, der langfristig über zehn Jahre läuft. Dafür zahlt der Warenhauskonzern deutlich weniger Miete. Nach unbestätigten Informationen soll sie in etwa halbiert worden sein. Müllenbach sagt lediglich: „Wir haben eine signifikante Kostenentlastung erreicht.“ Dass Karstadt bleibt, ist für den Limbecker Platz dennoch ein Erfolg. Denn mit 20.000 Quadratmetern Fläche ist das Warenhaus der mit Abstand größte Mieter. Ein riesiger Leerstand hätte gedroht.
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Noch am Dienstag sollten die ersten der über 2500 Schilder, die die Schließung des Hauses verkünden, wieder abgehängt werden. Auch die Kündigungen, die den Mitarbeitern bereits ausgesprochen worden waren, werden jetzt zurückgenommen. Mit der Rettung sind für die Mitarbeiter aber auch Gehaltseinbußen verbunden. Denn sie wechseln vom Tarifvertrag in den Überleitungstarif, der für die verbleibenden Häuser gilt. „Das ist aber allemal besser, als das, was es in der Transfergesellschaft gegeben hätte“, betont die Betriebsratsvorsitzende Sandra Türnau.
Karstadt-Sports wird geschlossen, Karstadt bekommt eine Sportabteilung
Trotz der Freude, die sie an diesem Dienstag empfindet, seien ihre Gedanken auch bei den Kaufhof-Kollegen am Willy-Brandt-Platz und bei den Mitarbeitern von Karstadt Sports. Denn für diese 130 Beschäftigten bleibt es dabei: Dort ist am 31. Oktober Schluss.
Statt der Karstadt-Sports-Filiale wird es künftig im Karstadt eine Sportabteilung geben. Welche Flächen dafür dort schrumpfen müssen, ist nicht bekannt. Die Betriebsratsvorsitzende der Karstadt-Sports-Filiale, Nicole Rosowski, hofft, dass vielleicht der eine oder andere Kollege dann dort einen neuen Arbeitsplatz bekommt. „Aber wir wissen gar nichts“, sagt sie frustriert. Anders als für die Mitarbeiter im Kaufhof wird es für die Kollegen bei Karstadt Sports keine Transfergesellschaft geben. Alle 35 Beschäftigten sind ab 31. Oktober arbeitslos.