Essen. Sie üben für den Ernstfall, sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr in Alarmbereitschaft: Ehrenamtliche des Essener THW. Zwei Helfer berichten.

„Warum nicht“, dachte Milena Rominsky, als sie im Internet nach einem Ausgleich für ihren Job als OP-Pflegerin suchte. Da war die 24-Jährige aufs Technische Hilfswerk gestoßen. Seit zweienhalb Jahren gehört sie nun zum Ortsverband Essen – wie insgesamt rund 200 Ehrenamtliche, die für den Katastrophen- und Zivilschutz im Einsatz sind. Alarmbereit an sieben Tagen die Woche, rund um die Uhr.

Auf dem Gelände in Essen-Kray nahe der Zeche Bonifacius üben die Ehrenamtlichen des THW: hier sind es die Jugendgruppe und die angehenden Helfer in der Grundausbildung.
Auf dem Gelände in Essen-Kray nahe der Zeche Bonifacius üben die Ehrenamtlichen des THW: hier sind es die Jugendgruppe und die angehenden Helfer in der Grundausbildung. © FFS | Socrates Tassos

Für Milena Rominsky folgte damals rasch ein erstes Gespräch, dann die Grundausbildung, in der sie in Theorie und Praxis etwa Holzbearbeitung, das Bewegen von Lasten, die nuklearen Gefahren und das Abstützen von Häuserwänden ebenso lernte wie Rechte, Pflichten und das Verhalten im Einsatz. In ihrer Fachgruppe Bergung wird sie helfen, wenn Gebäude nach Bränden oder Explosionen einzustürzen drohen, wenn verschüttete Personen geborgen oder Keller leergepumpt werden müssen.

Viele Einsätze hatte sie noch nicht, was durch ihren Beruf bedingt ist. Nach dem Abitur am Mariengymnasium in Werden, wo sie aufgewachsen ist, hat sie die Ausbildung zur Operationstechnischen Assistentin absolviert und arbeitet seitdem im Krankenhaus. „Ich kann ja am OP-Tisch nicht alles stehen und liegen lassen“, scherzt sie.

Starker Zusammenhalt im Team der Ehrenamtlichen

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Dann kam der Anruf in ihrem Urlaub. Sie rückte erstmals aus, als ein Haus brannte. Wirklich aufregend sei das aber nicht gewesen. „Wir haben ein Gerüst zum Unglücksort transportiert“, beschreibt die 24-Jährige, die sich von manch körperlicher Herausforderung in ihrem Ehrenamt nicht abhalten ließ. Dabei könne eine hydraulische Schere rund 20 Kilogramm wiegen, und dann müsse sie diese nicht nur halten, sondern mit dem Gerät arbeiten. So wird schon jede Übung zum Fitnessprogramm, wenn sie den Vorschlaghammer nutzt oder Schrottautos auseinandernimmt.

Für den Ernstfall weiß sie längst, dass sie ihre Kollegen jederzeit um Hilfe bitten kann. „Es ist einfach ein schönes Miteinander und ein starker Zusammenhalt im Team“, beschreibt sie. Und könnten die Frauen körperlich mit den Männern nicht immer mithalten, kennt sie inzwischen ihre Stärken in der Einheit: Die liegen in der Organisation und darin, den Überblick zu behalten. „Das höre ich zumindest von den Einheitsführern“, sagt sie lächelnd.

Derzeit gibt es gerade einmal zehn Frauen beim THW-Ortsverband Essen

Den Frauen möchte sie am liebsten sagen, sie sollten sich von der Überzahl der Männer in den blauen Uniformen nicht abschrecken lassen: „Versucht es doch einfach.“ Sie würde sich freuen, denn derzeit zählen mit Milena Rominsky gerade einmal zehn Frauen zum THW in Essen.

Mehr als 100 Einsätze und ein jahrzehntelanger Einsatz als Ausbildungsbeauftragter beim Ortsverband Essen gehören zum Ehrenamt von Jürgen Heise beim THW.
Mehr als 100 Einsätze und ein jahrzehntelanger Einsatz als Ausbildungsbeauftragter beim Ortsverband Essen gehören zum Ehrenamt von Jürgen Heise beim THW. © FFS | Julia Tillmann

Als Jürgen Heise dazustieß, gab es nicht eine Helferin. „Die ersten Frauen kamen etwa vor 20 Jahren“, sagt der Borbecker, auf dessen ehrenamtliches Konto 42 Jahre beim Technischen Hilfswerk gehen. Kennen- und schätzen gelernt hat er die Truppe durch einen Kollegen, kam hin, wollte ein bisschen Boot fahren, hatte da den Lkw-Führerschein schon – und blieb („Ich wurde ja richtig umworben, bei der Ausbildung mitzuhelfen“). Rückte aus zu mehr als 100 Einsätzen, fand gute Bekannte und Freunde unter den Helfern. Da er aus gesundheitlichen Gründen („Es war das Knie“) ohnehin nicht mehr Fußball oder Tennis spielen konnte, wurde das THW Hobby und Leidenschaft.

Sandsäcke stapeln, statt Silvester zu feiern

Eingestiegen ist Jürgen Heise als Kraftfahrer, dann bildete er sich bis zum Einheitsführer fort, übernahm schließlich die Aufgabe als Ausbildungsbeauftragter und gehört zum Stab. Im Leitungsstab hat er manchen Einsatz koordiniert, der ihn zum Hochwasser an die Oder und an die Elbe führte. In Essen hat er angepackt, wenn etwa der Ruhrpegel bedrohlich stieg. Dann hat er Sandsäcke gestapelt und dafür selbst an Silvester die Familie alleingelassen. „Wir hatten das Haus voller Besuch“, erinnert sich der 68-Jährige, der um Mitternacht immerhin mit aufs Neue Jahr hat anstoßen können, da der Sandwall die Wassermassen zurückhielt.

Nun gibt er seinen Posten ab, Norbert Engler übernimmt, er bildet ohnehin bereits seit 25 Jahren Helfer aus. Dem Ortsverband aber bleibt Jürgen Heise erhalten. Ohne THW? Er winkt ab: „Da will ich überhaupt nicht drüber nachdenken.“ Und so wird er wohl noch so manchem angehenden Helfer erklären, „dass jeder Einsatz gefährlich ist“.

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Und wird sofort ein Beispiel nennen: Der Fahrer auf dem Radlader, das Haus in Vollbrand, von der Decke kann jederzeit etwas herabstürzen. „Ist man einmal im Geschehen, erkennt man diese Gefahr mitunter nicht mehr.“ Dann ist der Helfer auf den Kameraden draußen angewiesen, muss sich auf ihn verlassen und weiß, dass er das kann.

Helfer lernen vor allem auch Eigenschutz

Das eigene Leben zu schützen und andere zu retten, das verbindet alle Helfer. „Wir schicken niemanden einfach nach vorn“, betont Jürgen Heise. Vielmehr dienten die regelmäßigen Übungen nicht nur dazu, mit schwerem Gerät wie Radlader oder Kipper Massen bewegen zu können, sondern ebenso dafür, sich im Ernstfall einschätzen zu können.

Geübt hat Milena Rominsky in einem Haus, wie Wände durchbrochen werden, und dabei auch viel über Statik gelernt. Sie hat mit ihren Kollegen dunkle Keller erkundet, um im Katastrophenfall Verschüttete bergen zu können. „Dabei macht man sich durchaus auch dreckig“, sagt sie augenzwinkernd. Körperlich fit ist sie dafür schon durch ihren Beruf, macht zudem Ausdauersport und läuft gern. So oft sie es dann schafft, kommt sie aus Schönebeck bei ihrer Einheit vorbei. Sie sei gern hier, auch wegen der Kameraden, mit denen sie durchaus privat etwas unternehme.

Viele Ausbildungen und Spezialisierungen sind möglich

Kontakt zum THW-Ortsverband Essen

Der Standort des THW-Ortsverbandes Essen liegt in Kray an der Rotthauser Straße 32. Auf dem rund 6500 qm großen Grundstück befinden sich die jeweils 900 qm große Fahrzeughalle und die Halle für Schulungen, in der sich auch Verwaltung und Sanitäranlagen befinden. Im Gegensatz zum früheren Standort in Bergeborbeck gibt es kein Übungsgelände. Der Ortsverband hat 43 zugelassene Fahrzeuge, darunter vier Boote.

Die Jugendgruppe (10-17 Jahre) trifft sich jeden zweiten und vierten Samstag im Monat, von 10 bis 16 Uhr.

Helfer kommen zu ihren Übungen abwechselnd zusammen, so dass jede Gruppe alle vier Wochen samstags übt, 7.30 bis 17.30 Uhr.

Infos: ov-essen.thw.de, Kontakt: ov-essen@thw.de oder unter: 76 02 860

Heute weiß die 24-Jährige, dass sie mit ihrem Ehrenamt beim THW genau das gefunden hat, wonach sie damals im Netz gesucht hat, um einfach mal den Kopf vom Berufsalltag freizubekommen.

Nun kann sich die Helferin noch manche Fortbildung und Spezialisierung vorstellen. Blickt Milena Rominsky bei diesem Gedanken auf die Kettensäge und den riesigen neuen Gerätekraftwagen, für deren Nutzung es jeweils einer zusätzlichen Ausbildung bedarf, sagt sie lachend: „Warum nicht?“