Essen. Menschen bergen, Bäume räumen, Einsätze leiten: Mandy Schletter (20) und Bastian Hofmann (24) sind beim Essener THW engagiert. Der Ortsverband Essen des Technischen Hilfswerks hat rund 200 Ehrenamtliche. Zurzeit fehlen in Essen aktive Helfer auf allen Ebenen, sagt Sachgebietsleiter Tobias Brock (31).

Schwupp, war ich drin“, erinnert sich Mandy Schletter an ihren Einstieg beim Technischen Hilfswerk. Eine Freundin nahm sie mit, dann „folgte die halbe Klasse“, sagt die 20-Jährige. In der Jugendgruppe hat sie spielend Erste Hilfe gelernt. Damals mimte sie bei Übungen Verletzte, hockte nachts im Dunkeln, bis ein Hund sie fand: „Das war cool“.

Heute gehört Mandy Schletter selbst zur Fachgruppe Bergung. Für ihre Einsätze übt sie, wenn sie beispielsweise eine Gasexplosion im Ferienlager simulieren. Dann erkundet die 20-Jährige das Gelände, prüft, wo Gefahren lauern. Liegt da eine Stromleitung, fließt Wasser, kann die Erde rutschen? Per Funkmelder hält sie Kontakt zur Führungsstelle. „Man überwindet sich immer selbst“, erzählt die technische Zeichnerin, für die das THW, das „Spielen im Dreck“, auch Ausgleich zur Büroarbeit ist. Ihre Angst vor der Kettensäge ist dem Respekt gewichen, sie sägt mit Spaß. Ob ihre Mutter nicht Angst um sie hat? „Nein, sie ist ja selbst beim THW“, sagt die 20-Jährige. Beim Sturm Kyrill habe ihre Mutter für die Stromversorgung gesorgt. Mit 18 gab es nach der Grundausbildung erste Einsätze für die Tochter: Wasser im Keller, hieß es, als sie mit Freundinnen unterwegs ins Autokino war. Während die den Film sahen, pumpte Mandy Schletter Wasser in Überruhr. Ihre Freunde haben dafür Verständnis, sagt sie. Die meisten sind auch beim THW.

Hilfsbereitschaft statt Mut

Ohne geht es für die junge Frau eh nicht mehr. Gute Voraussetzungen dafür seien weniger Mut denn Hilfsbereitschaft, sagt sie. „Ich mache Erfahrungen, die nicht jeder hat.“ Darauf ist sie natürlich stolz, kann immer etwas erzählen. Beruflich geht es für sie an der Abendschule weiter, um Maschinenbautechnikerin zu werden. Beim THW will sie später Jugendliche ausbilden. Auch für ihr Kind hat Mandy Schletter Pläne: ob Junge oder Mädchen, „es bekommt ein blaues Bobbycar“.

Sein Großvater war Ortsbeauftragter beim Technischen Hilfswerk. Sein Onkel für die Fahrzeuge zuständig. Da war es für den Enkel und Neffen Bastian Hofmann beinahe selbstverständlich, dass auch er zum THW gehört. Als Kind bewunderte er die großen blauen Autos. Mit 14 folgten die ersten Ferienlager, dann hat der heute 24-Jährige eine steile Karriere beim THW hingelegt – falls man beim Ehrenamt davon sprechen kann. Bastian Hofmann ist stellvertretender Zugführer. Heißt: Beim Einsatz koordiniert er die einzelnen Gruppen, sitzt mit Klemmbrett und Lageplan im Transporter – und hat das Kommando.

„Bei uns herrscht ein kollegiales Miteinander“, sagt er. Doch wenn’s darauf ankomme, „dann wird nicht diskutiert“. Um den Aufbau eines Befehls zu lernen und einsatzstrategische Entscheidungen fällen zu können, hat er sich bei Lehrgängen für Führungspositionen fortgebildet. Das käme bei Bewerbungen gut im Lebenslauf an, sagt der Maschinenbau-Ingenieur, der im Master-Studium steckt. Unter Stress und Zeitdruck zu handeln, hat er bereits in seiner Freizeit gelernt. Zu Hause gibt es nur schlechte Laune bei der Freundin, wenn er so gegen drei Uhr zum Einsatz gerufen wird, scherzt Bastian Hofmann. Allerdings denkt auch er manchmal bei stressigen Einsätzen mit Komplikationen durchaus: Wie ruhig wäre das Leben ohne THW. . . In Frage kommt es nicht.

Das Technische Hilfswerk biete ihm nicht nur ein riesiges Kontrastprogramm zum Alltag. Der 24-Jährige schätzt es, auch selbst anzupacken, handwerklich etwas zu tun und inzwischen ebenso, die Einsätze strategisch zu lenken. Beim Orkan Kyrill räumte er Bäume rund um die Gruga. Beim Fischesterben im Baldeneysee baute er mit seinen Kollegen drei Tage lang Wasserleitungen. Natürlich sei das alles auch anstrengend, sagt Bastian Hofmann: „Aber der Gedanke überwiegt, helfen zu wollen und sich neben dem Job zu beschäftigen.“

„Es fehlen Leute auf allen Ebenen“

Der Ortsverband Essen des Technischen Hilfswerks hat rund 200 Ehrenamtliche. Sie gehören zu zwei Technischen Zügen mit den Fachgruppen: Bergung, Räumen (mit Radlader), Beleuchtung und Ölschaden (europaweit einsetzbare Einheit). Dazu gibt es zwei eigenständige Gruppen: Logistik sowie Führung und Kommunikation. Das THW ist die Katastrophenschutz-Organisation des Bundes. Zwölf- bis 17-Jährige treffen sich in der Jugendgruppe. Ab 18 können Mitglieder nach der etwa halbjährigen Grundausbildung aktive Helfer werden. In der Praxis lernen sie u. a. den Umgang mit der Kettensäge oder dem Trennschleifer.

Zurzeit fehlen in Essen aktive Helfer auf allen Ebenen, sagt Sachgebietsleiter Tobias Brock (31). Das führt er auf den Wegfall der Wehrpflicht zurück: Denn wer nicht zur Bundeswehr wollte, konnte beim THW den Wehrersatzdienst leisten, erklärt Brock. Das habe viele angespült, die mitunter geblieben sind. Einen weiteren Grund für den Mangel an Mitstreitern sieht Brock darin, dass sie nicht so bekannt seien wie die Feuerwehr. Trotz blauer Uniformen würden sie regelmäßig verwechselt. vielleicht auch, weil sie eher im Hintergrund arbeiten. Sie rücken auf Anforderung der Feuerwehr aus. Ein Privatmann könne sie nicht rufen, wenn der Keller unter Wasser steht, erklärt Brock.

Die Helfer des THW bilden sich nach der Grundausbildung ständig fort, bei ca. 120 Stunden im Jahr. Dafür gibt es Dienstpläne. Auch die Rufbereitschaft ist kontinuierlich: „Wer Zeit hat und entbehrlich (z.B. am Arbeitsplatz) ist, der packt beim Einsatz mit an.“ 80.000 gehören bundesweit zum THW mit Jugendlichen und Reserve-Helfern. 800 Hauptamtliche arbeiten in der Verwaltung. Wer sich für das THW interessiert (Brock: „Wir finden für jeden etwas.“): am Samstag, 31. März, ist Info- und Einstellungstag, Im Hesselbruch 5. Info unter Tel.: 76 02 860.