Essen. Schwere Zeiten für Otto von Bismarck in Essen: Die Linke fordert die Umbenennung des Platzes, nun haben Experten Mängel am Denkmal festgestellt.
Es sind turbulente Zeiten für den Eisernen Kanzler. Denn nicht nur die Linke zieht gegen Bismarck wegen seiner Kolonialpolitik zu Felde und will dem Platz am liebsten seinen Namen entreißen. Jetzt droht dem Reichsgründer zusätzliches Ungemach: Bei Untersuchungen der Bronzefigur sind im Inneren Roststellen gefunden worden. „Schlimmstenfalls muss der Bismarck vorübergehend vom Sockel geholt werden“, sagt Stadtsprecherin Jasmin Trilling.
Schon seit Monaten haben sie das 3,20 Meter hohe Standbild hinter einem hohen Baugerüst versteckt. Im Dezember und Januar hatte das Unternehmen Nüthen Restaurierungen aus Bad Lippspringe die Oberflächen der Bronzefigur und des Sockels gereinigt, auch die Fugen zwischen Bronze und Natursteinsockel sind instandgesetzt worden.
Bei dieser Gelegenheit erkundigten sich die Denkmalspezialisten auch nach dem inneren „Gesundheitszustand“ des Eisernen Kanzlers – insbesondere um sich Gewissheit über die Standfestigkeit des mehr als 120 Jahre alten Standbildes zu verschaffen. Das imposante Denkmal zeigt Otto von Bismarck (1815 - 1898) ganz im zackigen Stil seiner Zeit in prachtvoller Paradeuniform mit Pickelhaube, Säbel, Militärmantel und hohen Stiefeln.
Zuerst bohrten sie ein Loch in die Statue, dann folgte die endoskopische Untersuchung
Nun, die Diagnose des Patienten ging – ähnlich wie in der Röntgenabteilung des Krankenhauses – recht einfach vonstatten. Die Experten bohrten bei der Leibesvisitation ein kleines Loch in den bronzenen Korpus, um ihn daraufhin endoskopisch zu untersuchen. „Dabei wurden Mängel festgestellt, die Fachleute entdeckten rostige Stellen“, so die Stadtsprecherin.
Ziel sei jetzt selbstverständlich, die seit 1993 unter Denkmalschutz stehende Bismarck-Statue langfristig zu sichern. Oder wie Jasmin Trilling betont: „Wir wollen ihn pfleglich behandeln und wieder hübsch machen.“ Doch dem im Rathaus zuständigen Amt für Straßen und Verkehr fehle für solch ungewöhnliche Eingriffe schlichtweg die Expertise. „Das ist eine neue Situation, solch einen Fall hatten wir noch nicht.“ Auch gebe es keinen Bauplan der 1899 vom Berliner Bildhauer Reinhold Felderhoff gegossenen Bronzeskulptur.
Samuel Maharero führte den Aufstand der Hereros
Linke Aktivisten haben den Bismarckplatz und die Bismarckstraße in der Nacht zu Dienstag (14. Juli) in einem symbolischen Akt nach dem namibischen Freiheitskämpfer Samuel Maharero benannt.
Sie begründen dies mit der Kolonialpolitik des Reichskanzlers und der Unterdrückung des Herero-Volkes im damaligen Deutsch-Südwest-Afrika. Maharero führte von 1904 bis 1908 den Aufstand der Hereros, den die deutschen Kolonialherren blutig niederschlugen. Bismarck war zu diesem Zeitpunkt schon tot.
Inzwischen fordert auch die Linke Essen die Umbenennung des Bismarckplatzes. Über Straßennamen entscheiden die Bezirksvertretungen und der Rat.
In Abstimmung mit dem Amt für Denkmalschutz wird nun das weitere Vorgehen erörtert. Es gehe um die Kosten und auch um die Frage, ob ein neuer Sanierungsauftrag öffentlich ausgeschrieben werden müsse. Die Arbeiten am Bismarck-Platz und am Denkmal haben bisher rund 290.000 Euro gekostet.
Als Essen den Ruhrschnellwegtunnel baute, musste Bismarck vom Sockel
In der wilhelminischen Zeit zählte Reichsgründer Bismarck („Blut und Eisen“) neben den drei Hohenzollern-Kaisern zu den am meisten verehrten Persönlichkeiten in Essen. Was nicht verwundert: Schließlich hatten die Preußen maßgeblichen Anteil daran, dass Essen zusammen mit der Gussstahlfabrik Fried. Krupp zur „Waffenschmiede des Reiches“ aufstieg.
Schon 1879, also zu Lebzeiten, machte Essen den Reichskanzler zum Ehrenbürger, 1899 stellten sie ihn vor dem Gebäude der damaligen Königlichen Eisenbahndirektion als Denkmal auf den Sockel und 1900 legten sie den Grundstein für den Bismarckturm (16,75 Meter hoch) oben auf dem Mechtenberg in Kray.
Die aktuellen Anti-Rassismus-Proteste haben auch eine Debatte über das koloniale Erbe und jene Persönlichkeiten entfacht, die für die Unterwerfung von Völkern in Afrika, Asien und Lateinamerika verantwortlich gemacht werden. In Belgien, England und in den USA sind Denkmäler umgestürzt worden.
Die Bombardierungen Essens im Zweiten Weltkrieg überstand Bismarck - von ein paar Einschusslöchern abgesehen - weitgehend unbeschädigt. Vom Sockel musste er in den 120 Jahren für den Bau des Ruhrschnellweg-Tunnels (A40) lediglich ein Mal: Gut zwei Jahre lang - zwischen Februar 1968 und Oktober - verschwand der Preuße gut verpackt in Holzkisten im Depot.