Essen. Heimatforscher Burkhard Effertz hat mit Hilfe eines 3-D-Druckers das Alte Rathaus wiederaufgebaut: Zwei Modelle werden öffentlich ausgestellt.
Als fleißiger Sammler von Postkarten mit historischen Essener Motiven hat sich der Geschichtsforscher Burkhard Effertz bereits einen Namen gemacht. Jetzt verblüfft der Heimatfreund aus Borbeck mit einem neuen Werk: Mit Hilfe eines 3-D-Druckers hat er das schon vor mehr als 50 Jahren abgerissene Alte Essener Rathaus (1878 bis 1964) wieder auferstehen lassen. Zwei Modelle des neugotischen Prachtbaus können öffentlich bestaunt werden. Eines steht seit kurzem im Haus der Essener Geschichte am Bismarckplatz, das nächste kann ab Januar im Café des Unperfekthauses am Limbecker Platz besichtigt werden.
Wie sehr die Essener an diesem markanten, stadtbildprägenden Bauwerk immer noch hängen, bekam Burkhard Effertz jedes Mal zu spüren, wenn er eine weitere Rathaus-Ansichtskarte aufstöberte und bei Facebook postete. „Diese Postkarten sind richtig eingeschlagen.“ Und jedes Mal folgten Kommentare mit denselben Worten des Bedauerns: „Schade, dass das Rathaus weg ist“ oder „Wie konnte man nur?“. Die Rathaus-Nostalgie beflügelte selbst den angesehenen Architekten Axel Koschany. Dieser machte sich vor einigen Jahren sogar stark für den Wiederaufbau des alten Rathauses – „als einen Ort der Identifikation, der den Bürgern heute so fehlt“.
3-D-Gruppen prophezeiten ein Scheitern des ehrgeizigen Wiederaufbau-Projekts
In Effertz reifte unterdessen der Wunsch, zumindest ein dreidimensional gedrucktes Rathaus im Miniaturformat zu erschaffen. Doch das war einfacher gesagt als getan. „Vorne eine Ansichtskarte in den Drucker schieben und hinten kommt das fertige 3-D-Rathaus raus, so einfach funktioniert das leider nicht.“
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Weil detailgetreue Baupläne fürs neugotische Rathaus nicht mehr aufzutreiben waren, dienten sieben historische Ansichtskarten als Vorlage für den Wiederaufbau im Kleinen. Dass einschlägige 3-D-Facebook-Gruppen den Kopf schüttelten und das Scheitern des Projektes prophezeiten, sollte Effertz jedoch nicht abhalten.
Ein Bekannter schuf in akribischer Feinarbeit die Pläne für die beiden Schokoladenseiten des Rathauses: die Hauptfassade mit Turm und Balkon zur Marktkirche hin und die Längsfassade an der Kettwiger Straße.
„Der Drucker läuft schon 16 Stunden, mit jeder Schicht kommen 0,2 Millimeter hinzu“
Dieser Bauzeichner warf die Fotos auf den Monitor, legte eine Art Millimeterfolie darüber und zeichnete jedes Fenster, jeden Bogen, jeden Giebel und jedes Ornament akkurat ab. „Ein dreiviertel Jahr lang opferte er für diese Filigranarbeit jede freie Minute“, berichtet Effertz. Einmal habe er verzweifelt gemeldet: „Bei den Fenstern werde ich fast verrückt.“ Als die Zeichnung endlich stand, konnte er erleichtert den Drucker anwerfen. „Eine Woche hat er für das erste Modell in Weiß gebraucht, eine weitere für das zweite in Marmoroptik.“
Im Arbeitszimmer seiner kleinen Borbecker Wohnung arbeitet der 3-D-Drucker zurzeit an Modell drei, dieses Mal in Ozeanblau. „Der Drucker läuft schon seit 16 Stunden, mit jeder Schicht wächst es um 0,2 Millimeter.“ Das Erdgeschoss und die beiden Stockwerke darüber sind schon fertig, jetzt sind die Dächer und der wuchtige Turm an der Reihe.
Das Original-Rathaus ist keine hundert Jahre alt geworden. 1964 übernahm der Wertheim-Konzern das Filetgrundstück in der Innenstadt und riss das von den Bombenangriffen im Weltkrieg geschundene Gebäude einfach ab. Der Wiederaufbau-Eifer der jungen Bundesrepublik zerstörte – nicht nur in Essen – mindestens genau so viele alte Bauwerke wie der Bombenkrieg zuvor. Älteren Essenern, insbesondere jenen, die damals in der Stadtverwaltung gearbeitet oder im Standesamt geheiratet haben, ist das alte Rathaus bestens vertraut. „Das imposante Portal mit Ehrenbalkon findet sich heute auf vielen Hochzeitsfotos wieder“, sagt Effertz.
Eine Dauerleihgabe fürs Haus der Essener Geschichte, Modell zwei fürs Unperfekthaus
Als sie jetzt im neuen Rathaus kürzlich das 40-jährige Jubiläum feierten, machte der Borbecker Heimatforscher gerne auf seine druckfrischen 3-D-Errungenschaften aufmerksam. Die Folge: Das erste, weiße Modell hat bereits einen Platz als Dauerleihgabe im Haus der Essener Geschichte gefunden. Modell Nummer zwei, das ebenfalls aus sechs Einzelteilen besteht, kommt ins Unperfekthaus, eine passende Vitrine muss dafür noch gefunden werden.
Burkhard Effertz, angetrieben von einer gehörigen Portion Idealismus und viel Heimatliebe, arbeitet ehrenamtlich und ohne erkennbares Profitstreben. Mit den Modellen aus dem 3-D-Drucker und der Resonanz ist er zufrieden. „Das Alte Rathaus“, sagt er, „ist in meinen Augen das schönste Bauwerk, das Essen zu bieten hatte.“