Essen. Weil Bismarck Kolonieerwerb befördert habe, wollen Linke in Essen Straße und U-Bahnstation umbenennen. Und machten sich auch gleich ans Werk.

Bei den in Essen früher einmal regen Diskussionen um Straßenumbenennungen war Otto von Bismarck ernsthaft nie ein Thema, lässt sich der 1898 verstorbene Reichskanzler doch nur schwer mit der NS-Zeit in Verbindung bringen. Anders steht es mit dem Thema Kolonialismus. Die Linksjugend Solid Essen und nicht näher benannten „Aktivisten“ haben Bismarck in diesem Punkt schuldig gesprochen und in der Nacht zu Dienstag symbolisch Bismarckstraße, Bismarckplatz und die U-Bahnstation der Ruhrbahn umbenannt: und zwar nach Samuel Maharero, der in Deutsch-Südwestafrika von 1904 bis 1908 den Aufstand des Herero-Volkes gegen die deutsche Kolonialherrschaft anführte. Bismarck war da allerdings schon tot.

„Mit dem Lineal in Afrika Grenzen gezogen, die bis heute Bestand haben“

Für die Umbenenner ist das indes kein Hindernis. Bismarck habe als Reichskanzler 1884 die „Westafrikakonferenz“ organisiert, auf der sich die europäischen Kolonialmächte über die Aufteilung afrikanischer Gebiete einigten und - ohne Rücksicht auf kulturelle Gegebenheiten - mit dem Lineal Grenzen auf Karten gezogen hätten, die teilweise bis heute Bestand haben. Die Folge sei die Ausbeutung der Ressourcen und die Entrechtung der dort lebenden Menschen gewesen.

Auch das Schild über der Rolltreppe zur U-Bahnstation Bismarckplatz trug am Dienstag morgen einen neuen Namen.
Auch das Schild über der Rolltreppe zur U-Bahnstation Bismarckplatz trug am Dienstag morgen einen neuen Namen. © Linksjugend

„Dass in Essen eine Straße und eine Haltestelle nach Bismarck benannt sind, ist ein fatales Signal im Angesicht der bis heute andauernden Folgen der Kolonialisierung“, sagt Jules El-Khatib, Mitglied der Linksjugend und stellvertretender Landessprecher der NRW-Linken.

Der neue Name Samuel Mahahero soll einen Anführer des Herero-Volkes würdigen

Die Linksjugend will deshalb eine Änderung: „Wir fordern eine Umbenennung der Straße sowie der U-Bahnstation Bismarckplatz in Maharerostraße, so Kara Kempkens. Samuel Maharero werde bis heute in Nambia, dem früheren Deutsch-Südwestafrika, für seine Auflehnung und den Einsatz gegen Ungerechtigkeit und Rassismus geehrt. „Die Stadt Essen würde gut dran tun, Maharero zu würdigen statt einen Kolonialisten.“

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Die Umbenennung von Straßen ist allerdings aus guten Gründen demokratisch geregelt und kann jedenfalls nicht per Stoßtrupp-Methode erfolgen. Essen hat da einige Erfahrungen. 2012 sollten die Von-Einem-Straße und die Von-Seeckt-Straße, zwei Wohnstraßen in Rüttenscheid, auf Beschluss der rot-grünen Mehrheit in der Bezirksvertretung II umbenannt werden. Das Vorhaben scheiterte Anfang 2013 jedoch bei einem Bürgerentscheid, den die von der Umbenennung Betroffenen erzwungen hatten.

Ins Visier der Umbenenner geriet auch immer wieder die Hindenburgstraße

Ins Visier von Straßenumbenennungs-Initiativen gerieten immer wieder auch die Hindenburgstraße sowie einige Wohnstraßen in Gerschede, die einen positiven Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte herstellen, wie etwa „Tangabucht“ oder „Kamerunstraße“. Umbenannt wurde hier als einzige im Jahr 2003 die „Karl-Peters-Straße“, die nach einem Kaufmann und Kolonie-Gründer benannt ist. Im „Historiker-Viertel“ in Frohnhausen verlor Heinrich von Treitschke „seine“ Straße. Teile seines Werkes lieferten dem Antisemitismus in Deutschland Ideologie und griffige Schlagworte.

Die Umbenennung von Straßen ist politisch Sache der Bezirksvertretungen, die man umgangssprachlich auch Stadtteilparlamente nennt, müssen aber seit der Erfahrung in Rüttenscheid vom Hauptausschuss des Stadtrates bestätigt werden. Neue Namen für größere Straßen von überbezirklicher Bedeutung sind ebenfalls zunächst Sache der BV, das entscheidende Wort hat dann aber der Rat. Das wäre nach Auskunft der Stadt etwa bei der Bismarckstraße der Fall.