Essen. Das Pilotprojekt am Baldeneysee, das Fische in die Höhe heben soll, wird erheblich teuer als geplant. Immerhin scheinen die Fische mitzuspielen.
Beim Fischlift am Baldeneysee, der in diesen Tagen in den Testlauf geht, werden nicht nur Fische in die Höhe gehievt, auch die Baukosten sind in die Höhe geschossen. Das hat der Ruhrverband in einer Mitteilung eingeräumt. Während der Ruhrverband die ursprüngliche Kostenplanung im Mai 2018 bei der offiziellen Einrichtung der Baustelle noch mit rund vier Millionen Euro angab, wird das komplexe Vorhaben nach jetzigen Stand auf 6,8 Millionen Euro beziffert. Ganz zu Anfang, bei den ersten Voruntersuchungen und Schätzungen im Jahr 2011, war gar nur von zwei Millionen Euro die Rede.
Die Gründe für die erhebliche Steigerung seien vielfältig: „Die öffentliche Ausschreibung des Ruhrverbands rief in der überhitzten Baukonjunktur der letzten Jahre nur ein geringes Bieterinteresse hervor, was sich letztlich in höheren Preisen als erwartet niederschlug“, heißt es in der Mitteilung. Ferner habe es nicht vorhersehbare Bauzeitverzögerungen durch Hochwasser und eine mehrmonatige Wartezeit auf einen Spezialkran gegeben, der für die Arbeiten unbedingt erforderlich gewesen sei.
Noch im November 2019 war von Kostensteigerungen keine Rede
Die 80 Jahre alten Originalpläne und der tatsächliche Zustand des Stauwehrs in Werden hätten überdies voneinander abgewichen, was zusätzliche statische Nachweise nötig machte. Dies trieb die Baukosten ebenso weiter in die Höhe wie die zusätzlich erforderlichen Mess-Einrichtungen aufgrund des Pilotcharakters des Projekts so der Ruhrverband. Dass Bauen im Altbestand so gut wie immer teuer wird als gedacht, ist indes eine übliche Erfahrung und sollte eigentlich nicht überraschen. Ebenso erstaunlich: Noch im November 2019 war von Kostensteigerungen noch keine Rede.
Der Pilotcharakter lässt noch keine endgültige Aussage zu, ob das Fischliftsystem wenigstens tatsächlich funktioniert, erste Versuche seit Anfang Juli verliefen aber nach Angaben des Verbands vielversprechend. Sinn und Zweck der Investition ist es, die Ruhr und die Ruhr-Stauseen für Fische durchgängig zu machen. Stauwehre wie am Baldeneysee sind dabei logischerweise ein Hindernis.
Am Baldeneysee fehlte für konventionelle Lösungen der Platz
Während in solchen Fällen häufig Fischtreppen genügen, fehlte am Baldeneysee der nötige Platz, um die zumeist acht Meter Unterschied zwischen dem Stausee-Wasserstand und der Ruhr zu überwinden. Eine in das Stauwehr gebaute Aufstiegsanlage erschien als einzige Möglichkeit, um die Durchlässigkeit technisch möglich zu machen. Mittels eines raffinierten Strömungssystems werden Fische unten in der Ruhr in das System hineingezogen und oben am See wieder in die Freiheit entlassen.
Bei Fragen, ob der enorme finanzielle Aufwand überhaupt gerechtfertigt ist - im Baldeneysee tummeln sich auch ohne Lift selbstverständlich Fische - verwies der Ruhrverband stets auf die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, der man sich zu fügen habe. Die EU-Bürokratie misst einen guten bis sehr guten ökologischen Gewässerzustand auch an der Durchgängigkeit für Fische. Bis 2027 müsse dies überall realisiert sein. Die Kosten für das Projekt trägt zu 80 Prozent das Land NRW, das mit dieser Quote nach Auskunft von Ruhrverband-Pressesprecherin Britta Balt auch die nun eingeräumten Kostensteigerungen bezuschusst.
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Seit Anfang Juli 2020 würden nun jedenfalls die technischen Bauteile, die Steuerungs- und Fernwartungstechnik, die Monitoringsysteme und das Datenmanagement des Fischliftsystems ausgiebig getestet. „Bis alle Komponenten die Bauabnahme erhalten haben, stehen in den nächsten drei bis vier Wochen noch weitere Untersuchungen an“, schreibt der Verband.
Hoher Aufwand auch in den nächsten Jahren nötig
Welcher Aufwand dabei nötig ist, sei hier wörtlich wiedergegeben: „Mitte August soll das Fischliftsystem offiziell in Betrieb genommen werden und es beginnt eine ca. einjährige Einfahrphase. In dieser Zeit wird die automatische Steuerung des Systems verfeinert, damit der Steuerungsalgorithmus künftig unterschiedliche Wasserstände und Abflüsse der Ruhr sowie die jahreszeitlich schwankenden Wanderungsintensitäten der Fische berücksichtigt. An das Einfahren schließt sich eine etwa zweijährigen Monitoringphase an, um den Erfolg des Pilotprojekts nachzuweisen und die Übertragbarkeit auf andere Standorte und Rahmenbedingungen sicherzustellen.“
Größtes Kraftwerk an der Ruhr
Der Name Baldeneysee stammt daher, dass erste Planungen das Stauwehr in Höhe des Schlosses Baldeney vorsahen. Da sich dieses Vorhaben wegen zu geringen Gefälles und daher zu geringer Stromerzeugung als unwirtschaftlich herausstellte, entschied man sich, das Stauwehr weiter flussabwärts bei Werden zu errichten.
Von dort erstreckt sich der Stausee heute bis zur Kampmannbrücke in Kupferdreh. Der See hat eine Fläche von 2,64 Quadratkilometern und eine Länge von 7,8 Kilometern. Das Wasserkraftwerk Baldeney ist das größte Kraftwerk seiner Art an der Ruhr.