Essen. In der Corona-Krise bleiben selbst Traditionsrestaurants auf der Strecke. Jetzt traf es die beliebte „Schönebecker Schweiz“ im Essener Westen.
Corona stürzt die Gastronomie in eine dramatische Existenzkrise. Jetzt hat es eine Essener Traditionsgaststätte getroffen: das Lokal „Schönebecker Schweiz“ im gleichnamigen Stadtteil an der Grenze zu Mülheim. Am vergangenen Sonntag (28. Juni) haben Pächter Sandro Somigli und seine Frau Birgit Hellmuth das Handtuch geworfen. „Es tut mir leid um jeden Kollegen, der jetzt aufgeben muss“, sagt Reinhard Schriever, Vorsitzender des Branchenverbandes Dehoga in Essen. Und fügt hinzu: „Das ist eine große Schande, ich bin megatraurig.“
Seit Jahrzehnten befindet sich die „Schönebecker Schweiz“ im Besitz der Familie Dieckmann. Inhaber Norbert Dieckmann hat den Überlebenskampf in den letzten Monaten hautnah mitverfolgt – und mitgelitten. In der Corona-Krise sei ein Großteil der Kundschaft schlichtweg weggebrochen, sagt er.
Dehoga-Chef: „Viele Gäste sind ängstlich und zurückhaltend“
Die Schließung über mehrere Wochen sei eine existenzbedrohende Durststrecke gewesen, der Wirt habe sein Heil in dieser schwierigen Zeit daraufhin im Außer-Haus-Verkauf gesucht. Erst Mitte Juni, zwei Wochen später als die meisten seiner Kollegen, habe er schließlich die Pforten wieder geöffnet. Doch auch danach seien viele Stammkunden zuhause geblieben. Mangelnde Kapazitätsauslastung, schrumpfende Umsätze, sinkende Gewinne – ein verhängnisvoller Teufelskreis.
Zwar hatten Vermieter und Pächter den im Mai ausgelaufenen Vertrag probeweise bis Jahresende verlängert. Doch kurz vor dem sich abzeichnenden Sommerloch zog der Pächter vor wenigen Tagen die Reißleine.
Dehoga-Chef Reinhard Schriever befürchtet, dass die Essener Gastronomie in den nächsten Wochen und Monaten noch weitere Corona-Pleiten wird hinnehmen müssen. „Viele Gäste sind ängstlich und zurückhaltend, dabei sind diese Ängste unbegründet.“
Schönebecker Ratsherr appelliert: „Die Gaststätte muss erhalten bleiben“
Norbert Dieckmann weiß um den hohen Stellenwert, den die Schönebecker Schweiz im Stadtteil und im Raum Borbeck genießt. Für die einen war es ein Ort des kulinarischen Genusses (Slogan: „Die frische Küche im Dorf“), für andere eine urige Stammkneipe, die zum geselligen Feierabend-Umtrunk oder zum gemütlichen Kegelabend einlud. Das Lokal mitten im Ort steht auch für runde Geburtstage und Hochzeiten, Kommunionsfeiern und Beerdigungen, für Weihnachtsfeiern und das Grünkohlessen der Union. „Das gallische Dorf hat zwei Mittelpunkte: das Gemeindezentrum und die Schönebecker Schweiz“, sagt der Schönebecker Ratsherr Klaus Diekmann (CDU). Sein Appell: „Die Gaststätte muss erhalten bleiben.“
So sieht es auch der Eigentümer, der an die bald 90 Jahre alte Geschichte des Hauses erinnert. Nach seinen Großeltern übernahmen seine Eltern das Haus, das in der 50er-, 60er- und 70er-Jahren seine Blütezeit und in den Jahrzehnten danach mehrere Pächterwechsel erlebte. „Meine Priorität heißt: Das Geschäft muss weitergeführt werden“, sagt Norbert Dieckmann, der auch die treuen Geschäftsbeziehungen zum heimischen Bierbrauer hervorhebt. „Stauder war in 90 Jahren unsere Haus- und Hofbrauerei.“
Norbert Dieckmann hofft, dass sich über kurz oder lang ein neuer Pächter finden wird. Vor allem zum Wohle von Schönebeck. „Wenn die Schönebecker Schweiz verschwindet, dann ist das ziemlich tot hier.“