Essen. . Das Gastronomen-Ehepaar Roswitha und Karl Schirmacher geht nach bald 35 Dienstjahren in den Ruhestand. Ein neuer Pächter übernimmt ihr Lokal „Schönebecker Schweiz“.

  • Die Stadt ist um einen gastronomischen Traditionsbetrieb ärmer: Die „Schönebecker Schweiz“ schließt
  • Das Gastronomen-Ehepaar Roswitha und Karl Schirmacher geht nach bald 35 Dienstjahren in den Ruhestand
  • Der „Schweiz“ kehren sie den Rücken, nun ziehen sie nach Medebach ins Sauerland

Die Stadt ist um einen gastronomischen Traditionsbetrieb ärmer: Karl und Roswitha Schirmacher („Schönebecker Schweiz“) haben sich nach mehr als drei Jahrzehnten in den Ruhestand verabschiedet. Genau zehn Jahre lang hatten sie das Restaurant im Herzen von Schönebeck betrieben, davor waren es 25 Jahre im „Stop Club“ im Westviertel. Es war die Mischung aus gut bürgerlicher Küche im besten Sinne und einer stark ausgeprägten französischen Note – damit erarbeiteten sich die Schirmachers einen hervorragenden Ruf weit über die Stadtgrenzen hinaus. Zum offiziellen Abschied kamen 550 Gäste – die meisten davon Stammkunden.

„Sie können nicht nur provenzalische Fischsuppe anbieten, Sie müssen auch das Zürcher Geschnetzelte im Angebot haben, wenn Sie ein Restaurant für alle Bürger sein wollen“, sagt Roswitha Schirmacher (62). Ihr Mann (66) ist gelernter Koch, dessen Stiefmutter kam aus Frankreich – so entstand die Vorliebe für französische Frischeküche: „Klar haben wir immer die Meeresfrüchte-Platte auf der Karte gehabt“, sagt Roswitha Schirmacher, „doch das Cordon Bleu durfte eben auch nicht fehlen.“

Das meistverkaufte Gericht in dreieinhalb Jahrzehnten? „Mustafas Erbe“, ein Rumpsteak mit Pfeffersoße. Warum der Name? „Keine Ahnung, den hatten wir von unseren Vorgängern einfach übernommen.“ Das war noch in Zeiten des „Stop Clubs“, den sie erst als Angestellte belebt und dann schließlich komplett übernommen hatten. Nicht viel weniger Fans haben die berühmten Tapas-Menus – sieben kleine, raffinierte Gerichte; über die Spanferkelhaxe bis zum Doradenfilet auf Tomatenrisotto.

Wenn Lokalpolitiker im Hause sind

Wehmut? Noch nicht. Doch viele Geschichten haben sie erlebt, viele handeln von Ämter-Irrsinn: So kämpften sie Jahre um eine Konzession, um draußen, im Gartenbereich des ,Stop Club’ länger als bis 22 Uhr geöffnet haben zu können. „Doch das war immer vergebens.“ Bis schließlich eine Runde von Lokalpolitikern bei den Schirmachers tagte – und von den Gastronomen sanft, aber unmissverständlich um 22 Uhr ins Haus gebeten wurde. Natürlich gab es Protest der Herren – jedoch: „,Das liegt an Ihren Vorschriften’, hab’ ich denen gesagt.“ Postwendend kam die neue Konzession, die zwei Stunden längeren Außenbetrieb möglich machte. Aus dem Westviertel mussten sie nur weg, weil ihr Domizil unter den Hammer kam – der Neustart in Schönebeck glückte jedoch, wie man heute weiß. Die Schirmachers wohnten überm Restaurant, wurden Teil des Stadtteils, und jetzt?

Von der „Schweiz“ geht’s nun ins Sauerland

„Ziehen wir ins Sauerland.“ Vor Jahren haben sie sich dort eine Wohnung gekauft, verbrachten immer mehr freie Zeit dort, „man braucht zwischendurch einfach den Abstand“. Längst konnten sie vor Ort neue Kontakte knüpfen; Medebach heißt das neue Domizil.

Eine Geschichte noch, ehe wir die Schirmachers nun in die Ferne ziehen lassen: Als Roswitha Schirmacher bei der Stadt neue Unterlagen für die „Schönebecker Schweiz“ beantragte, sagte man ihr auf dem Amt: „Sie können kein Restaurant eröffnen, Sie haben Steuerschulden bei uns.“ Das ließ die herzliche Gastronomin nicht auf sich sitzen und bat, nachzuhaken – heraus kam: Es ging um ein Knöllchen, fünf Euro. Und das war längst bezahlt.

Sandro Somigli übernimmt die „Schönebecker Schweiz“

Das Traditionsrestaurant „Schönebecker Schweiz“ erhält einen neuen Pächter. Nachdem die Familie Schirmacher nach zehn Jahren das Haus verlassen hat, kehrt Mitte Juni ein alter Bekannter zurück nach Schönebeck: Der erfahrene Gastronom Sandro Somigli übernimmt die „Schönebecker Schweiz“ – er war dort bereits bis zum Jahr 2007 tätig, bevor die Schirmachers kamen.

Somigli, der eine mediterrane Frischeküche anbietet, setzt auf Tapas und mehr – auch das klassische Schnitzel wird es geben. Somigli hat vor, auch die alte Kegelbahn zu reaktivieren. Familie Schirmacher hat, wie am Samstag berichtet, in den Ruhestand zurückgezogen.