Essen. Die Empörung in den Reihen der Polizei über pauschale Rassismus-Vorwürfe ist enorm. Ein junger Oberkommissar aus Essen lässt Dampf ab.
Sein Frust über die Pauschalangriffe auf die Polizei sitzt tief, über die Jahre hat sich einiges angestaut. Die Hetzreden bei der linksautonomen Demo in Essen-Altendorf und die Krawalle von Stuttgart haben für den Essener Polizisten das Fass zum Überlaufen gebracht. Daniel Holzer* hat sich bei dieser Zeitung gemeldet, um Dampf abzulassen. Es ist eine Wortmeldung stellvertretend für einen ganzen Berufsstand. Der Oberkommissar ist ein Polizist, der aufrütteln will. Deshalb nimmt er auch kein Blatt vor den Mund: „Wir erleben nicht Respekt, sondern werden ständig infrage gestellt, egal ob im Einsatz oder privat – als Polizist bist Du in diesem Land erst mal der Arsch.“
Holzer, Mitte dreißig, hat sich nach dem Gymnasium für den Polizeiberuf entschieden. Nicht weil es sein Traumberuf gewesen sei, es habe sich damals so ergeben. Dass er heute mit Leidenschaft bei der Sache ist, ist unüberhörbar. Eine „hochprofessionelle“ Ausbildung genossen zu haben, macht selbstbewusst. „Wir haben alle Abi, wir haben drei Jahre studiert, wir sind psychologisch geschult.“ Von diesem hohen Niveau seien zum Beispiel die Cops in den USA meilenweit entfernt.
„Dass uns die Chefin einer Regierungspartei offen diffamiert, ist eine Katastrophe“
Dass die durchaus zutreffenden Rassismus-Vorwürfe gegen die US-Polizei nahezu gedankenlos von einer breiten Öffentlichkeit 1:1 auf Deutschland übertragen werden, ist für den Essener unbegreiflich. Sofort fällt der Name Saskia Esken. Denn auch die SPD-Bundesvorsitzende hatte nach dem tödlichen Polizeischuss auf George Floyd „einen latenten Rassismus“ bei den deutschen Sicherheitskräften diagnostiziert. Für Holzer ein Affront, der schmerze. „Dass wird von der Politik kaum Rückendeckung bekommen, ist fast schon normal. Aber dass wir jetzt auch noch von der Spitze einer Regierungspartei offen diffamiert werden, ist eine Katastrophe.“
Der junge Polizist spricht für einen Berufsstand, der sich im Stich gelassen fühlt. Er holt aus zu einem Rundumschlag, der in Essen auch die Behördenspitze einschließt. Der Leistungsdruck sei enorm, die Arbeitsbelastung auch. Ob er die Schirmmütze eines Streifendienst-Beamten trägt oder das schwarze Barett der Hundertschaft, soll an dieser Stelle offen bleiben. Fest steht nur: Holzer ist auf den Straßen der Großstadt ganz nah dran an den Menschen und ihren Problemen. „Den Dienst im Essener Norden“, sagt er, „kannst Du nicht vergleichen mit einer Wache im Sauerland.“
„Es gibt Straßen in Essen, da müssen wir unbedingt mit Verstärkung anrücken“
Sieben von zehn Personen, denen er nördlich der A40 im Einsatz begegne, seien Migranten. Viele von ihnen, insbesondere in Altendorf, Altenessen und Katernberg, hätten sich abgekapselt und in Parallelgesellschaften eingerichtet. Auch in rechtsfreien Räumen? Holzer schüttelt den Kopf. Nein, die habe Essen nicht. „Aber es gibt Straßen, da sollte man unbedingt mit Verstärkung anrücken, ein Streifenwagen reicht dort nicht.“
Den Vorwurf des „Racial Profiling“ weist der Polizist entschieden zurück. Gemeint ist damit der Vorwurf, dass die Polizei aus letztlich rassistischen Motiven Hautfarbe oder erkennbare Ethnie einer Person zum Anlass einer Kontrolle mache und nicht einen konkreten Tatverdacht. „Die polizeiliche Erfahrung zeigt, dass man am Rheinischen Platz nicht die Oma nach Drogen durchsuchen muss, sondern Schwarzafrikaner“, sagt Holzer. Er habe dort noch nie einen weißen Drogendealer kontrolliert. „Die Weißen sind die Konsumenten.“
Essen gilt als Hochburg der Clan-Kriminalität in Deutschland, mit 2500 Straftaten war die Stadt 2018 Spitzenreiter in NRW. Da verwandeln sich selbst Bagatelldelikte in Windeseile in große Lagen. Ein Beispiel: Vor einem angesagten Imbiss-Restaurant auf der Altendorfer Straße wurde das Auto eines Clan-Mitglieds absichtlich auf den Straßenbahn-Gleisen abgestellt. Die Polizisten wollen ein Knöllchen schreiben, doch sofort haben sie es mit einer Zusammenrottung von 200 Personen zu tun. Situationen, in denen Polizisten gerne als „Nazis“ und „Kartoffeln“ beschimpft und obendrein bedroht werden. „Den Druck kann sich keiner vorstellen, der das nicht mitgemacht hat.“
Rassisten in der Polizei? „So einen kann ich nicht gebrauchen“
Massive Widerstandshandlungen und Beschimpfungen – oft durch Migranten – gehören zum Polizeialltag in Essen. Aber was macht das mit den einzelnen Beamten? Schleicht sich das Gift des Rassismus nicht doch langsam in ihre Köpfe? Daniel Holzer räumt ein, dass einzelne Kollegen nach solchen Einsätzen intern ordentlich Dampf ablassen und Sprüche klopfen. Aber die rote Linie dürfe nicht überschritten werden. „Radikalismus und Rassismus haben bei uns keinen Platz.“ Ein Polizist, der aus seiner rassistischen Gesinnung kein Hehl mache, habe den Beruf verfehlt. „Ich kann so einen nicht gebrauchen“, betont Holzer.
Der Oberkommissar betont gerne, wie bunt und multikulturell die Mannschaft unterm Dach des Polizeipräsidiums inzwischen geworden sei. „Wir sind eine tolle Mannschaft, der Zusammenhalt ist groß.“ Sein bester Freund in der Grundschule sei Türke gewesen. „Ich als Pottkind hasse Rassismus und Gewalt, egal in welcher Form.“
Und nun? Daniel Holzer will vor allem die Menschen in der Mitte der Gesellschaft aufrütteln. Deshalb sei die Resolution des Essener Rates ein guter Anfang. Die Menschen sollten sich nicht raushalten aus den aktuellen Debatten, sondern sich einmischen und Farbe bekennen. Sie sollten zum Rechtsstaat stehen, zum staatlichen Gewaltmonopol und letzten Endes auf der Seite Polizei. „Sonst weiß ich ja nicht mehr, für wen ich den Job überhaupt mache.“
* Name von der Redaktion geändert