Essen. Die Kundgebung in Altendorf gegen mutmaßlichen Rassismus bei der Essener Polizei artete aus in eine unerträgliche Beschimpfung von Polizisten.
Man muss in der jüngeren Geschichte dieser Stadt schon sehr viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte zurückschauen, um auf einen vergleichbaren Wutausbruch gegen die Polizei zu stoßen wie der, der sich am Samstag in Altendorf zutrug.
Polizisten pauschal als Mörder, Faschisten, Rassisten, Neonazis in Uniform und uniformierte Gestalten an den Pranger zu stellen und zu verhöhnen, ist schlichtweg skandalös. Außenstehende, die diese kollektive Hasstirade über mehr als zwei Stunden verfolgten, entwickelten Abscheu, ja sogar Ekel.
Die Polizei - ob in Essen oder anderswo - repräsentiert den Querschnitt dieser Gesellschaft, natürlich auch in politischer Hinsicht. In ihren Reihen finden sich Konservative, Linke und Grüne – und gewiss auch solche, die Migranten im Polizeialltag mit mangelndem Respekt und im Einzelfall rassistisch entgegentreten. Aber letztere werden nirgendwo geduldet, sondern im Gegenteil früher oder später disziplinarisch belangt.
Krawalle in Stuttgart zeigen, wie schnell sich der Funke des Hasses entzünden kann
Den schwadronierenden Linksextremisten und Imperialismus-Feinden, Antifa-Aktivisten und Polizeihassern ging es bei der Veranstaltung für Adel B. allerdings nicht um den Dialog, sondern um Diffamierung und Demagogie. Es ist nur eine verschwindend kleine Minderheit: verbohrt, fanatisch und bisweilen sogar hysterisch. Doch ungefährlich sind die Aktivisten deshalb keineswegs. Erst recht nicht in diesen Zeiten, in denen die Empörung über mutmaßlich strukturelle Polizeigewalt so mancher als schick empfindet. Wie schnell sich der Funke des Hasses entzünden und Krawalle auszulösen vermag, haben die schockierenden Ausschreitungen in Stuttgart gezeigt. Der Weg vom Wort zur Waffe ist manchmal kurz.
Wer Polizei im demokratischen Rechtsstaat auf derart unsägliche Weise angreift, wie in Altendorf geschehen, offenbart zugleich, was er vom Gewaltmonopol des Staates hält: nämlich nichts. Er will der Polizei die Legitimation entziehen. Nur: Wer wüst beleidigt, verleumdet und nebenbei massiv gegen das Versammlungsgesetz verstößt, sollte entsprechend bestraft werden.
Immer mehr Polizisten fühlen sich im Stich gelassen – auch von der Behördenspitze
Dass die Essener Polizeiführer bei dem nicht genehmigten Umzug durch Altendorf besonnen reagierten und de-eskalierten, verdient größten Respekt. Sich zuerst stundenlang beleidigen zu lassen, um am Ende sogar noch nachzugeben, das mag für gestandene Polizeibeamte grenzwertig gewesen sein. Aber es war ein kluger Schachzug, allerdings nur in der konkreten Lage.
Die Langzeit-Wirkung könnte indes fatal sein. Denn immer mehr Polizisten in Essen beschleicht ein Unbehagen, wenn sie in Einsätze geschickt werden, um ihren Kopf hinzuhalten für gesellschaftliche Fehlentwicklungen, die andere zu verantworten haben. Mehr noch: Sie entwickeln Frust, weil sie sich von der Behördenspitze im Stich gelassen fühlen. Das Murren in der Mannschaft ist unüberhörbar.
Nach dem Skandal-Nachmittag von Altendorf zur Tagesordnung überzugehen, wäre fatal.