Essen. Essener Philharmonie: Camilla Nylund präsentiert ein Lieder-Recital mit Strauss und Schumann. Künstlerin überzeugt mit Kraft und zarten Tönen.

Eigentlich müsste sie die Koffer für die Bayreuther Festspiele packen, bei denen sie in diesem Jahr im „Lohengrin“ und den „Meistersingern“ auftreten sollte. Corona-bedingt muss sich Camilla Nylund derzeit jedoch mit kleineren Formaten begnügen, so wie jetzt mit einem Liederabend in der Essener Philharmonie.

Ihr „jugendlich dramatischer“ Sopran hat nichts an Geschmeidigkeit verloren

Wobei ein pausenloses 70-minütiges Lieder-Recital die Konzentration und Kondition mindestens so stark herausfordert wie ein Opernabend. Sänger, die sich vor allem auf der Opernbühne tummeln, müssen bisweilen mit gewissen Vorurteilen leben, wenn sie sich in die zarteren Gefilde des Kunstlieds begeben. In manchen Fällen begründet, nicht so bei Camilla Nylund. Ihr „jugendlich dramatischer“ Sopran hat nichts an Geschmeidigkeit verloren, sitzt in allen Registern felsenfest und zeigt sich allen noch so unterschiedlichen Anforderungen des ausgewählten Programms gewachsen, wobei ihr erfahrener und kongenial agierender Partner Helmut Deutsch nicht unwesentlich zum geschlossenen Gesamteindruck beitrug.

Sieben Lieder ihres Landsmanns Jean Sibelius kombinierte Camilla Nylund mit Roberts Schumanns „Frauenliebe und –leben“ sowie den vier Liedern op. 27 von Richard Strauss. Strauss war natürlich der Oper am stärksten verbunden und in der „Heimlichen Aufforderung“ oder der „Cäcilie“ lässt die Sängerin ihre Stimme so kraftvoll und gleichzeitig kontrolliert tönen, dass sie sich damit auch gegen ein großes Orchester durchsetzen könnte.

Mit Hingabe findet sie Zugang zu den zarten Tönen des Schumann-Zyklus

Wobei auch derartige Ausbrüche immer im Dienst des Ausdrucks standen, wie auch in manchen dramatischen Gesängen von Sibelius, deren Texte dem Publikum leider nicht zur Verfügung gestellt wurden. Mit gleicher Hingabe fand sie aber auch Zugang zu den erheblich zarteren Tönen des Schumann-Zyklus‘, der in seiner scheinbaren Schlichtheit bisweilen unterschätzt wird, dabei aber ein besonders feines Einfühlungsvermögen und entsprechend nuancierte stimmliche Mittel einfordert. Und Helmut Deutsch folgte ihr am Klavier in jede noch so filigran ausgeführte Nische.

Das Gefühl einer gewissen Kühle lässt sich angesichts eines großen, notgedrungen spärlich besetzten Konzerthauses nicht ganz überspielen. Gleichwohl entließ das begeisterte Publikum Camilla Nylund und Helmut Deutsch nicht ohne drei Zugaben vom Podium.