Essen. Philharmonie startet Programm unter Corona-Vorgaben. Es gibt nicht nur Klassik im Kleinformat, sondern Orchestermusik, Jazz und Familienkonzerte.

Zollstock statt Taktstock: Fast drei Monate lang sind die Musiker dem gefolgt, was dem Wesen der Konzertwelt überhaupt nicht entspricht: dem Abstandsgebot. Statt überwältigender Klangfülle vor vollbesetzten Rängen gab es Auftritte im Youtube-Kanal, Hofkonzerte und Autokino-Debüts. Mit den neuen Verordnungen des Landes NRW soll die Zwangspause nun aber ein Ende haben. Wie viele Kulturstätten im Land lassen die Essener Theater und Philharmonie die eigentlich schon beendete Spielzeit nun doch noch einmal starten. Ab dem 9. Juni probt man auch in Essen die vorsichtige Rückkehr zur Normalität. Sie wird anders aussehen und klingen als zu Vor-Coronazeiten. Doch Hein Mulders, Intendant von Aalto und Philharmonie, ist sich sicher: „Jeder im Haus ist froh, dass es wieder losgeht.“

Im Alfried-Krupp-Saal wurde jede zweite Stuhlreihe ausgebaut

Gespielt wird bis zum 1. Juli ausschließlich in der Philharmonie. Im Aalto-Theater wird derweil an der Beleuchtungsanlage gearbeitet. Im Schauspielhaus wird man in nächster Zeit probieren, wie Inszenierungen unter den Pandemie-Vorgaben umzusetzen sind. Für das Konzerthaus spricht vor allem die Größe. In dem rund 1900-Plätze fassenden Saal werden gemäß den geltenden Abstandsregeln etwa 344 Plätze übrig bleiben. Im Alfried-Krupp-Saal wurde dafür jede zweite Stuhlreihe ausgebaut, die zu nutzenden Stühle werden gekennzeichnet sein. Konzerte werden kaum länger als 75 Minuten und ohne Pause gespielt.

Zuletzt war das heimische Wohnzimmer sein Konzertsaal. Nun kommt Stargeiger Daniel Hope zurück in die Essener Philharmonie. |
Zuletzt war das heimische Wohnzimmer sein Konzertsaal. Nun kommt Stargeiger Daniel Hope zurück in die Essener Philharmonie. | © OH

Keine Traumkulisse für Weltstars wie Blockflötistin Dorothee Oberlinger oder Geiger Daniel Hope, die nun für ein hochkarätiges Spielzeit-Finale unter Corona-Vorzeichen sorgen. Doch Mulders und sein Team sind fest entschlossen, mit der aktuellen Lage „positiv und konstruktiv“ umzugehen: „Die Leute werden wieder kommen. Wir bekommen schon jetzt viel positive Resonanz“, zeigt sich Mulders zuversichtlich.

In kurzer Zeit einen Spielplan auszuarbeiten, der nicht nur ein großes Spektrum an Orchester- und Kammerkonzerten, Orgel- und Familienkonzerten abdeckt, sondern auch alle Schutz- und Hygieneauflagen berücksichtigt, hat nicht nur enormen organisatorischen Aufwand gekostet. Auch personell ist die Rückkehr zum Spielbetrieb keine Kleinigkeit: Wir brauchen so viel Personal wie bei einem ausverkauften Haus“, sagt der Technische Leiter Valentin Martin-Muniz.

Notenständer werden desinfiziert und die Garderoben ständig gereinigt

Stühle müssen je nach Publikumsbelegung (einzeln, paarweise oder als Familie) gekennzeichnet werden, Notenständer desinfiziert, Partituren ausgetauscht, Garderoben gereinigt werden. Es gilt, Künstlern und Zuschauern den größtmöglichen Schutz zu bieten. So wird die erste Publikums-Reihe beim Liederabend von Sopranistin Camilla Nylund (19. Juni, 20 Uhr) immerhin sechs Meter Abstand halten.

Einheitliche Ticketpreise

Der Kartenvorverkauf beginnt am 2. Juni, telefonisch 8122-200, per Mail tickets@theater-essen.de und an der Aalto-Kasse (Di-Sa, 13 bis 18 Uhr).

Für die Sonderveranstaltungen des Corona-Spielplans gelten einheitliche Ticketpreise bei fester Sitzplatzzuordnung.

Damit im Verdachtsfall eine Infektionskette schnellstmöglich identifiziert und unterbrochen werden kann, werden beim Kartenverkauf für jede Eintrittskarte Namen, Anschrift und eine Telefonnummer aufgenommen, ggf. auch für die Begleitperson.

Distanz ist geboten und trotzdem präsentiert die Essener Philharmonie in den kommenden Wochen Klassik nicht nur im Kleinformat: Die Essener Philharmoniker werden „ihr“ Haus unter Leitung von GMD Tomáš Netopil endlich wieder mit Dvořák-Serenaden (11. und 12. Juni, 17 und 20.30 Uhr) bespielen. Beethovens Ballett-Ouvertüre lassen sie am 25., 26., 27. Juni, 20 Uhr erklingen. Dazu spielt Stargeiger Frank Peter Zimmermann Beethovens Violinkonzert D-Dur. Und schließlich formulieren die Philharmoniker zusammen mit dem Aalto-Ballett das Motto der Kunst in der Corona-Krise: „The Show must Go on“ heißt es am 15. Juni, 17 und 20.30 Uhr.

Klassik-Hits für die ganze Familie und Konzerte auf der Außenterrasse

28 Termine umfasst der Sonder-Spielplan der Essener Philharmonie vom 9. Juni bis 1. Juli, hier einige weitere Programmpunkte:

Kammermusik der Extraklasse verspricht das Mannheimer Streichquartett am 14. Juni, 17 Uhr, mit Werken von Bartók bis Schubert. Mendelssohn und Piazzolla stehen auf dem Programm, wenn die Stipendiaten der Orchesterakademie ihr Jahreskonzert am 21. Juni, 18 Uhr, nachholen.

Die „Vier Jahreszeiten“ mit Daniel Hope

Zum Abschlusskonzert bitten auch die Sängerinnen und Sänger des neu gegründeten Opernstudios NRW am 16. Juni, 20 Uhr. Sein Philharmonie-Debüt gibt Cellist Maximilian Hornung am 21. Juni, 11 Uhr. Organist Peter Kofler und Blockflötistin Dorothee Oberlinger lassen am 17. Juni, 20 Uhr, Perlen von Bach bis Corelli erklingen. Jazzfreunde kommen beim Auftritt des israelischen Pianisten Omer Klein am 20. Juni, 20 Uhr, auf ihre Kosten.

Dazu gibt’s Programm für die ganze Familie: Violin-Virtuose Daniel Hope spielt mit dem Ensemble l’arte del mondo Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ (28. Juni, 15 u. 19 Uhr sowie 11 Uhr als Familienkonzert). Das Folkwang Kammerorchester lässt Camille Saint-Saëns’ „Karneval der Tiere“ hören (20. Juni, 11 u. 15 Uhr). Und das Elbipolis Barockorchester Hamburg spielt Telemanns „Don Quichotte“ für Zuhörer ab fünf Jahren 13. Juni, 11 u. 15 Uhr.

Schlager, Operettenmusik und Fado unter freiem Himmel

Sommerliche Vielfalt prägt außerdem eine neue Konzertreihe auf der Außenterrasse: Vom 5. bis 28. Juni präsentieren Künstler des Hauses bei gutem Wetter jeweils freitags, samstags und sonntags Salonmusik, Schlager, Operettenmusik oder Fado unter freiem Himmel. Mehr Infos: www.theater-essen.de

Starten wird das Saisonfinale in der Philharmonie am 9. Juni mit dem Auftritt von Jan Lisiecki im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr.