Essen. Keine Experimente heißt das FDP-Motto in Partei und Ratsarbeit. Man hat genug von der Opposition, und Parteichef Ralf Witzel glaubt: Da geht was.

Irgendwie ist es ja doch besser mitzuregieren, als gar nicht zu regieren – in diesen Tagen dürften Essens Liberale sich seufzend mal wieder daran erinnern. Denn dass sie die Stadtpolitik an einigen Stellen mitbestimmt haben, als der örtlichen CDU nur eine einzige Stimme zur Ratsmehrheit fehlte, das ist nun auch schon wieder fast 20 Jahre her. Anno 2020 glaubt FDP-Chef Ralf Witzel nun: Die Chancen stehen gut wie lange nicht mitzumischen.

Denn dass es nach der Kommunalwahl im September für eine große Rats-Koalition aus SPD und CDU noch mal reicht, hält er für „eher fraglich“. Das wäre die Stunde der Freien Demokraten, Mehrheiten zu sichern, nein, zu „gestalten“, wie Witzel es nennt: „Wir sind dazu bereit, wenn die Inhalte passen.“

Die alte Ratsmannschaft ist im Wesentlichen wohl auch die neue

Wie viele Mitstreiter die FDP in der kommenden Ratsperiode dazu ins Feld führen kann, wird sich am Wahlabend zeigen. Fest steht aber, dass die alte Rats-Mannschaft im Wesentlichen auch die neue wäre:

Für zwei weitere Jahre als Essener FDP-Chef bestätigt: der Landtagsabgeordnete Ralf Witzel.
Für zwei weitere Jahre als Essener FDP-Chef bestätigt: der Landtagsabgeordnete Ralf Witzel. © FFS | Vladimir Wegener

Angefangen vom Spitzenkandidaten Hans-Peter Schöneweiß, Ex-Polizist und engagierter Brauchtums-Förderer, über Fraktionsvize Petra Hermann, den Ratsnachrücker (und ebenfalls ehemaligen Polizisten) Eduard Schreyer sowie den bisherigen Geschäftsführer der Ratsfraktion Martin Weber, der seinen beruflichen Politikeinsatz im Falle seines Einzugs ins Stadtparlament mit einem ehrenamtlichen tauschen würde.

Auf dem fünften Listenplatz findet sich FDP-Ratsherr Dr. Karlgeorg Krüger, der einst beim Essener Bürger Bündnis (EBB) mitmischte und dort 2017 im Streit schied. Krüger, von Beruf Radiologe, tritt zudem als Oberbürgermeister-Kandidat der Liberalen an. Eine Bewerbung, die zugegebenermaßen eher die Sichtbarkeit der Partei im Wahlkampf erhöhen als Vorfreude auf einen FDP-OB wecken soll. Bei den letzten beiden Wahlen hatte der Theater-Unternehmer Christian Stratmann mit launigen Debatten-Beiträgen den OB-Wahlkampf bestritten.

Spürbare Dämpfer für die eigenen Kandidaten – die FDP ist so frei

Die Rats-„Neulinge“? Kämen erst auf Platz 6 und folgende: Martin Hollinger, Falk Grünebaum, Christian Mertens. Frauen sind, wie sich hier zeigt, in der FDP-Kandidatenschar rar gesät.

So brav die FDP beim Nominierungs-Parteitag im Hotel Bredeney auch das personelle „Weiter so“ abnickte – man ist so frei, den eigenen Bewerbern auch ohne Gegenkandidaten spürbare Dämpfer zu verpassen: So

Der alte Vorstand der FDP Essen ist auch der neue

Das nennt man wohl „Kontinuität wahren“: Unter den elf gewählten Vorstandsmitgliedern der Essener Liberalen findet sich kein einziger Neuling.

Parteichef Ralf Witzel wurde mit 88 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt, seine beiden Stellvertreter sind Hans-Peter Schöneweiß und Eduard Schreyer, als Schatzmeister fungiert Christian Stratmann, Petra Hermann ist Schriftführerin.

Hinzu kommen sechs Beisitzer: Marcus Fischer, Martin Hollinger, Martin Weber, Falk Grünebaum, Dr. Karlgeorg Krüger und Christian Mertens.

schickten die Mitglieder ihren OB-Kandidaten Karlgeorg Krüger mit nur 71 Prozent der Stimmen ins Rennen, Spitzenkandidat Hans-Peter Schöneweiß erhielt 76, seine Stellvertreterin Petra Hermann gar nur 67 Prozent der Voten.

Witzel kritisiert die CDU: „Läuft dem links-grünen Mainstream hinterher“

Dass es auch anders geht, zeigt unter anderem das Ergebnis für Parteichef Ralf Witzel, den der Parteitag mit 88 Prozent im Amt bestätigte. Für Witzel, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im NRW-Landtag, gibt das genug Rückenwind, die rund 380 Essener Liberalen selbstbewusst auch gegen die CDU abzugrenzen: Die Christdemokraten liefen „dem links-grün geprägten Mainstream immer stärker hinterher“, spottet der 48-Jährige, das sei beim Radentscheid und bei diversen anderen Themen abzulesen.

„Gut für uns“, glaubt Witzel und gibt das ehrgeizige Ziel aus, bei der Kommunalwahl die Zahl der Mandate nicht weniger als verdoppeln zu wollen: sechs statt drei. Das nährt die Fantasie für Farbenspiele in Gelb.