Essen. . Die FDP hat in Bund und Land derzeit nichts zu melden und empfindet das im lokalen Wettbewerb um Stimmen nicht unbedingt als Nachteil. Wenn nur die AfD nicht wäre.

Für die Wahl zum Stadtrat hat er sich diesmal selbst eine 4,5-Prozent-Hürde auferlegt: Schaffen die Liberalen den Sprung darüber, will sich Hans-Peter Schöneweiß seinen seit ein paar Monaten sprießenden Bart scheren – noch am gleichen Abend. Ein netter Gag des FDP-Frontmanns im Stadtparlament, obwohl man sich erinnert, dass auch abstiegsbedrohte Fußballer schon mal zu ähnlichen Aktionen greifen.

Nicht dass den Freien Demokraten der gänzliche Abstieg aus dem Stadtrat drohte. Diese Sorge ist der FDP genommen, seit 1999 die Fünf-Prozent-Hürde für die Kommunalwahl ersatzlos gestrichen wurde. Nein, es geht wohl eher darum, in welcher Mannschaftsstärke die Liberalen bei der örtlichen Politik künftig mitspielen.

Zwei Ratsperioden lang konnten Schöneweiß und Co. fünf Stimmen in die Waagschale werfen, ab 2004 durch die Aufnahme zweier Abtrünniger des Essener Bürger Bündnisses, seit 2009 aus eigener Kraft.

Drei Ratssitze als Minimalziel

Zugegeben, dass sie noch einmal 6,4 Prozent der Stimmen holen, daran glauben sie selbst nicht: „Das war sicher ein positiver Ausreißer“, sagt Schöneweiß. Und dennoch sind sie entschlossen, auch im neuen Rat in Fraktionsstärke – das wären mindestens drei Sitze – einzuziehen: „Das ist unser Mindestziel“, sagt Ralf Witzel, Parteichef von stadtweit rund 350 eingeschriebenen Liberalen: „Auf Augenhöhe“ zu sein mit den großen Parteien, dazu braucht es die Dreier-Combo: Drunter frisst der politische Alltag einen auf.

Wie sie die Chancen dafür sehen? Könnte schlechter sein, findet der FDP-Landtagsabgeordneter Witzel beim Blick nach Düsseldorf und Berlin und den Zulauf von 50 neuen Mitgliedern binnen eines Jahres: „Wenn man nicht für Regierungspositionen haftet, kann man völlig befreit aufspielen.“ Natürlich fehle die überregionale mediale Begleitmusik etwas, aber: „Wir sind so frei wie selten zuvor.“

Und schließlich habe man ja was vorzuweisen: die höhere Gewerbesteuer verhindert, die Idee fürs Hallenbad am Thurmfeld gehabt, im und mit dem Viererbündnis den Sparkurs verteidigt... Und es fehlt auch nicht der Hinweis, dass die FDP es war, die einst die Hälfte der RWE-Aktien zum Kurs von 90 Euro verkaufen wollten, aber die anderen...naja.

Es könnte also alles gut sein, gäbe es da nicht diese AfD, die betont euro(pa)kritische „Alternative für Deutschland“, die ihnen als Konkurrent um so manche Wählerstimme aus dem liberalen Lager offenbar mehr im Kopf herumspukt, als sie offen zugeben wollen. Denn die AfD tritt auch lokal an, und der unter Liberalen vermutete Vorteil der gekoppelten Kommunal- und Europawahl könnte dann zum gehörigen Nachteil gereichen. Es sei denn, Schöneweiß liegt richtig mit seiner Vermutung, „dass da wohl kaum ,durchgewählt’ wird“, sprich: dass Europa-Stimmen für die AfD nicht automatisch auch zu Voten für die örtlichen Ratskandidaten der AfD führen.

Wenn doch, ist der Bart bei der Freien Demokraten schneller ab, als ihnen lieb sein kann.