Essen. Essener Orchesterakademie bereitet junge Musiker seit 20 Jahren auf den Berufsalltag vor. Stipendiaten präsentieren sich beim Abschlusskonzert.
Die letzte große Orchesterprobe hat Benjamin Völkel Mitte März gespielt. Wenige Tage später hätte der Oboist bei der Premiere von „Don Carlo“ im Orchestergraben sitzen können. „Eine Superchance.“ Doch dann kam der Shutdown, und auch im Kalender der Stipendiaten der Essener Orchesterakademie hat Corona seither einiges durcheinander gewirbelt. Die „Don Carlo“-Premiere musste ebenso ausfallen wie das geplante Stipendiaten-Konzert. Ausgerechnet im 20. Jahr des Bestehens hätten sich die acht ausgewählten Stipendiaten beinahe lautlos aus Essen verabschieden müssen. Das Corona-Sonderprogramm der Philharmonie macht nun doch den Auftritt möglich. Am Sonntag, 21. Juni, 18 Uhr, präsentieren sich Völkel und seine Kollegen mit Werken von Prokofjew bis Piazzolla im Alfried Krupp Saal.
Die Akademie schlägt eine Brücke zwischen Hochschule und Orchesterpraxis
Kontrabass, Klarinette und Schlagzeug, zwei Violinen, Viola und Violoncello sowie Völkels Oboe haben in dieser Jubiläumsspielzeit die Essener Philharmoniker verstärkt. Ein Einsatz, das sich für beide Seiten auszahlt. Die Stipendiaten erleben ein Praxisjahr fernab der Hochschulen, um sich ohne Druck auf den professionellen Berufsalltag vorzubereiten. Die Orchester sichten Talente und können etwaige Vakanzen schneller und besser mit begabten Musikern besetzen.
Als die Essener Orchesterakademie vor 20 Jahren gegründet wurde, war sie nach Berlin erst die zweite Institution bundesweit. Inzwischen gibt es nach Schätzung des stellvertretenden Vorsitzenden Hans-Bernd Schleiffer schon rund 35 Einrichtungen. „Tendenz steigend“. Der Vorteil der Essener Akademie, die sich als Verein durch Mitgliederbeiträge, Spenden, Stiftungsgelder und Mittel der Kunststiftung NRW finanziert, sei vor allem die Allround-Ausbildung: Konzert, aber auch Oper und Ballett stehen hier für die Stipendiaten auf dem Spielplan. Benjamin Völkel hat die Abwechslung zwischen Podium in den Orchestergraben sehr geschätzt: „Der Rosenkavalier war eine neue Erfahrung.“
Ein Akademie-Platz ist wie ein Empfehlungsschreiben für eine Festanstellung
Für die, die einen der begehrten Akademie-Plätze ergattern, ist das wie ein Empfehlungsschreiben: „80 bis 90 Prozent der Stipendiaten bekommen anschließend eine Festanstellung“, sagt Ludger Dohm, Vorsitzender der Orchesterakademie. Was nicht selbstverständlich ist bei bis zu 2000 Musikern, die von den Hochschulen jährlich in den Beruf wollen. „Die Akademie ist auf jeden Fall ein Pluspunkt“, sagt Celina Holz. Bei ihr hat es gerade mal einen Monat gedauert, bis die Stipendiatin auch schon zum Vorspiel eingeladen wurde. Seit der Spielzeit 2011/12 gehört die Flötistin zum Orchester. Insgesamt vier ehemalige Stipendiaten verstärken inzwischen das Orchester.
Aufführungspraxis zu bekommen, ein breites Repertoire zu proben, aber vor allem auch vom Solo- zum Teamspieler zu werden – dafür ist so ein Akademiejahr perfekt, sagen Ehemalige. Zu den Vorteilen gehört auch der regelmäßige Austausch mit den jeweiligen Mentoren des Orchesters, die den internationalen Stipendiaten zur Seit stehen, die in diesem Jahr unter anderem aus Venezuela, Italien, Japan und der Ukraine kommen, aber auch aus Berlin und Bochum, wie Benjamin Völkel, der an der Folkwang-Universität studiert hat und nun wieder zurück an die Hochschule für Musik in Dresden geht. Mit besten Empfehlungen aus Essen.