Essen-Nordviertel. Stadtarchäologe Detlef Hopp hat im Segeroth und am Berliner Platz Fossilien und Gebrauchsgegenstände aus dem 19. Jahrhundert ausgegraben.

Von 2006 bis 2013 hat der Essener Stadtarchäologe Detlef Hopp die Baustelle auf dem Berliner Platz, dem heutigen neuen Univiertel, begleitet. Seine Ergebnisse hat er in einem „Bericht aus der Essener Denkmalpflege“ zusammengestellt, der jetzt veröffentlicht wurde.

Egal, wo in der Stadt gegraben wird – Detlef Hopp ist zur Stelle. Der promovierte Stadtarchäologe listet, katalogisiert und archiviert seit 30 Jahren alles, was über Jahrhunderte und Jahrtausende im Erdreich verborgen blieb. „Allein in diesem Jahr war ich wieder auf 45 Baustellen in Essen unterwegs“, sagt der 64-Jährige. Seine geschichtlichen Fundstücke fasst er regelmäßig in Broschüren und Bildbänden zusammen oder stellt sie im Rathaus aus.

Farnlaubiges Gewächs aus der Karbonzeit – gefunden in der Segerothstraße.
Farnlaubiges Gewächs aus der Karbonzeit – gefunden in der Segerothstraße. © Peter Hadsch

So auch die zahlreichen Funde, die er auf der Fläche des einstigen Berliner Platzes sichergestellt hat: Ob 30 Millionen Jahre alte Fossilien, urzeitliche Eichen, Siedlungsspuren aus der Mittelsteinzeit, Überreste alter Teiche und des Flüssleins Ur-Limbecke oder Gebrauchsgegenstände aus dem 19. Jahrhundert – die heutige „Grüne Mitte“ mit den gepflegten Wohn- und Grünanlagen und der Funke-Medienzentrale hat eine lange und bewegte Geschichte.

Versteinerte Süßwassermuscheln und urzeitliche Eichen

Fangen wir mit dem urzeitlichen Wald an, der hier einst gestanden hat: Als Beleg dafür hat Detlef Hopp zahllose versteinerte Süßwassermuscheln, Triebe von längst ausgestorbenen Schuppen- und Siegelbäumen und Schachtelhalme. gefunden „Fast alle Fossilien habe ich auf dem einstigen Gleiskörper des erst 1995 stillgelegten Güterbahnhofs Essen-Nord entdeckt“, erzählt er, die urzeitlichen Eichen fanden sich unter dem neuen Hörsaalzentrum der Universität.https://www.waz.de/staedte/essen/die-segerothstrasse-von-der-viehweide-zum-zukunftsstandort-id210017211.html

Erste Spuren der Besiedlung entdeckte Hopp in Form eines sauber abgenagten Schweineknochens – „Mittelsteinzeit“, sagt er. Keramikscherben und Reste von Abfallgruben stammen aus dem 1. Jahrtausend vor Christus. Danach kam erst einmal länger nichts – denn die große Fläche befand sich nach der Gründung Essens viele Jahrhunderte lang vor den Stadttoren, wurde lediglich als Wiese und Weide genutzt.

Ein Schlittschuh aus dem 10. Jahrhundert lag in der Baugrube des Limbecker Platzes

„Damals hat man alle Bäume abgeholzt, um von der Stadtmauer aus einen guten Überblick auf möglicherweise heranrückende Feinde zu haben“, so Hopp. Mittelalterliche Mühlteiche und Überreste der Handelsstraße Hellweg befanden sich unter dem heutigen Einkaufszentrum Limbecker Platz. „Dort sind wir auch auf einen Schlittschuh aus dem 10. Jahrhundert gestoßen“, so Hopp.

Das Arbeiterviertel Segeroth – die unbebaute Fläche im Hintergrund ist der Berliner Platz. Die Aufnahme stammt von 1864.
Das Arbeiterviertel Segeroth – die unbebaute Fläche im Hintergrund ist der Berliner Platz. Die Aufnahme stammt von 1864. © Historisches Archiv Krupp

Wesentlich später, Mitte des 19. Jahrhunderts, wurde die Fläche abgetragen, um aus dem Material Lehmziegel zu brennen. Häuser mussten gebaut werden – denn die Industrialisierung führte zu einem sprunghaften Bevölkerungswachstum. „Durch diesen Lehmabbau war die Zerstörung der Landschaft laut Hopp enorm: Und es gingen wahrscheinlich viele urzeitliche Spuren und Fundstellen für immer verloren.“https://www.waz.de/staedte/essen/leben-und-sterben-eines-stadtviertels-id7682107.html

In den 1860er Jahren entstand hier das berühmt-berüchtigte Arbeiterviertel Segeroth

Doch erst mit der Industrialisierung begann die spannende Zeit des Berliner Platzes: Im Schatten zweier Zechen und direkt neben der Kruppschen Gussstahlfabrik entstand in den 1860er Jahren hier das berühmt-berüchtigte Arbeiterviertel Segeroth, später der Großmarkt und der Güterbahnhof. Dazu die städtische Gasanstalt, ein Elektrizitätswerk und die Maschinenbau-Union. Für den Bau des Viertels wurden aller Wahrscheinlichkeit nach auch die letzten noch verbliebenen Reste der alten Stadtmauer verwendet.https://www.waz.de/staedte/essen/essens-univiertel-vom-nachtjackenviertel-zur-gruenen-mitte-id9628252.html

Knapp 500 hübsch bemalte Porzellan- und Tonpfeifen aus dem 19. Jahrhundert fand Detlef Hopp auf der Baustelle des neuen Universitätsviertels.
Knapp 500 hübsch bemalte Porzellan- und Tonpfeifen aus dem 19. Jahrhundert fand Detlef Hopp auf der Baustelle des neuen Universitätsviertels. © Peter Hadasch | Peter Hadasch

Aus dieser Epoche stammen die meisten Funde wie knapp 500 hübsch bemalte Porzellanpfeifen, Spuren der alten Eisenbahnlinie, Lederabfälle aus den Schusterwerkstätten Bruchsteinfundamente einstiger Häuser, Bunzlauer Keramik, Bierkrüge und Kaffeekannen – sie alle bieten einen intensiven Einblick in das durch große Enge geprägte Leben des ausgehenden 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Jahrzehntelang war der Berliner Platz eine Brachfläche

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben zunächst noch der Großmarkt und der Güterbahnhof übrig – der Segeroth verschwand mit dem Bau der Universität. Danach lag ein Großteil der Fläche brach – umringt von gesichtslosen Fünfziger-Jahre-Bauten. Den Puff in Sichtweite und durchtrennt von einem unansehnlichen Bahndamm war der 13,3 Hektar große Schotterplatz alles andere als ein Vorzeigeobjekt. Bis die Stadt das neue Wohnquartier „Grüne Mitte“ entwarf und damit ein neues Kapitel dieses Viertels aufschlug.

Ausstellung im Rathaus

Der 21. Bericht aus der Essener Denkmalpflege ist in einer Auflage von 600 Stück erschienen.

Er kann über das Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege bezogen werden.

Der Stadtarchäologe stellt immer wieder seine Fundstücke im Foyer des Rathauses aus.

Kontakt und Info: 8861806 und denkmalschutz@amt61.essen.de