Essen. Kitas starten mit stark eingeschränktem Betrieb. Essener Eltern beklagen eine „fehlende Perspektive“ bei der Betreuung und fordern Hilfen.
Mit weniger als einem Fünftel aller Kita-Kinder nehmen die Essener Betreuungseinrichtungen und Tageseltern am Donnerstag, 14. Mai, Teile ihres Betriebs nach zweimonatiger Unterbrechung wieder auf. Viele Väter und Mütter in Essen sind verzweifelt und fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. „Wenn Kinder wieder auf Spielplätzen herumlaufen dürfen, warum können sie dann nicht in die Kita?“, fragt Robert Armbruster, der Vorsitzende des Jugendamt-Elternbeirats (JAEB), dem Gremium für Väter und Mütter mit Kindern bis zum Vorschulalter.
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Rund 4000 Vorschulkinder (also künftige i-Dötzchen) werden ab Donnerstag wieder in Essener Kitas und Tageseltern betreut - es sind nach einem Landes-Erlass zunächst diejenigen Vorschulkinder, die einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben - also Kinder mit einem besonderen Förderbedarf. Zudem dürfen alle Kinder mit Behinderungen betreut werden. Die Kindertagespflege steht wieder allen Zweijährigen offen.
Betrieb im Juni: Umfang noch völlig unklar
In Essen gibt es insgesamt rund 22.000 Betreuungsplätze in Kitas und bei Tageseltern. Was mit allen anderen Ein- bis Fünfjährigen passiert, ist noch offen. Im Juni soll ein „eingeschränkter Betrieb“ anlaufen, über den noch keine Details bekannt sind. „Bis Ende der vergangenen Woche haben die Eltern relativ still gehalten in der Hoffnung, bald eine Perspektive zu bekommen“, sagt Robert Armbruster. „Diese Perspektive ist uns komplett genommen worden.“
Belastungsgrenze überschritten
Laut Familienministerium ist damit zu rechnen, dass ab Juni – dann sind es nur noch vier Wochen bis zu den Sommerferien – Kita-Kinder höchstens zwei Tage in ihre Einrichtungen zurückkommen dürfen. „Das würde mehr kaputtmachen als heilen“, sagt Armbruster. „Man kann den Kindern nach so langer Zeit ohne Freunde nicht einen Tag in ihrer Einrichtung ermöglichen, um sie dann wieder länger herauszuhalten.“ In vielen Familien würden die Kinder erheblich unter der Kontaktlosigkeit leiden, die Belastungsgrenze der Eltern sei mit „Home Office“ und zeitgleicher Betreuung, ohne Großeltern einspannen zu können, massiv überschritten.
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Finanzielle Hilfe für Eltern fehlen
Unklar sei es auch, wie es in und nach den Sommerferien weitergehe. „Wir wollen nichts gegeneinander ausspielen“, sagt Armbruster, „aber dass es Rettungspakete und Hilfen für Betriebe gibt, aber den Eltern nicht geholfen wird, steht in keinem Verhältnis.“ Das Thema „Finanzielle Hilfen für Eltern“ werde nirgendwo ernsthaft angegangen, dabei sei es für die Betroffenen von erheblicher Bedeutung. „Es geht um Verdienstausfälle, weil Eltern wegen mangelnder Betreuung nicht arbeiten können, es geht nicht nur um die Stundung von Kita-Beiträgen.“
Notbetreuung: Kinderzahl stieg kontinuierlich an
Die Zahl der Kinder, die in den vergangenen Wochen in Essen in der so genannten „Notbetreuung“ verbracht haben, ist in den vergangenen Wochen schrittweise und kontinuierlich angestiegen.
Waren Ende März rund 550 Kinder in Kitas und 150 Kinder bei Tageseltern, stiegen die Zahlen bis jetzt auf rund 2700 (Kitas) und 670 (Tageseltern). An den Essener Schulen wurden am Donnerstag rund 1600 Kinder betreut, die allermeisten davon in den Grundschulen.
Das Jugendamt der Stadt Essen kann die Nöte der Eltern „verstehen und nachvollziehen“, sagt Stefanie Kutschker, die Sprecherin des Jugendamtes. Dass in den Kitas Abstandsgrenzen eingehalten werden könnten, sei „völlig unrealistisch“, auch das Tragen einer Maske für Erzieherinnen und Erzieher sei undenkbar. „Viele kleinere Kinder bekommen dann Angst, und der Beruf bringt körperliche Nähe nun mal mit sich.“
Nicht alle Erzieherinnen können arbeiten
Auch Kitas sind – ebenso wie Schulen – davon betroffen, dass sie für die kleineren Kindergruppen, die zu bilden sind, nicht sämtliches Personal einsetzen können. Dem Vernehmen nach fallen landesweit rund 20 Prozent der Erzieherinnen und Erzieher aus, weil sie zu Risikogruppen zählen - entweder, weil sie schwanger, über 60 Jahre alt oder bereits anders erkrankt sind.