Essen. Der Essener Elternbeirat freut sich über das zweite kostenlose Kita-Jahr. Die Kita-Träger sind skeptisch, wie sehr das Land sie entlasten wird.

Die Nachricht, dass in Nordrhein-Westfalen bald ein zweites Kita-Jahr beitragsfrei ist, sei überraschend gekommen, sagt Carolin Claas. „Aber es ist ja schön, wenn man mal positiv überrascht wird“, fügt die Vorsitzende des Jugendamtselternbeirates (JAEB) hinzu.

Bisher müssen Eltern nur für das letzte Kita-Jahr ihrer Kinder nichts zahlen, ab 2020/21 ist auch das vorletzte gratis. So hat es Familienminister Joachim Stamp am Dienstag angekündigt, so hat es der Elternbeirat via Facebook verbreitet. „Da hatten wir eine Riesenresonanz“, erzählt Carolin Claas. Es habe auch Einwände gegeben, dass eigentlich die gesamte Kindergartenzeit kostenlos sein müsste, wie es andere Städte vormachen. Einzelne Eltern mahnten, das Geschenk des Staates dürfe nicht zu Qualitätseinbußen führen und wieder andere sagten, dass sie erstmal einen Kita-Platz finden müssten.

Rettungspakete hielten Kindergärten über Wasser

„Aber insgesamt ist das aus Elternsicht eine tolle Nachricht“, findet die JAEB-Vorsitzende. Es gebe Mütter, für die es sich kaum lohne, die Arbeitszeit aufzustocken, weil sie mit dem höheren Gehalt in eine höhere Kita-Beitragsstufe rutschen: „Dann geht das verdiente Geld ans Jugendamt.“

Ginge es nach Oliver Kern, dürfte es gar keine Kita-Gebühren geben. „Aber der Vorstoß des Landes geht in die richtige Richtung“, sagt der Geschäftsführer der Essener Arbeiterwohlfahrt (Awo), die etliche Kitas in der Stadt betreibt. Für die Eltern gebe es nun eine Entlastung, es bleibe abzuwarten, ob auch die Träger spürbar entlastet würden. Zuletzt hätten sie mit einer chronischen Unterfinanzierung kämpfen müssen, kritisiert Kern. „Land und Kommunen mussten die Kindergärten durch mehrere Rettungspakete über Wasser halten“, bestätigt der Städtetag.

Familienminister Stamp hat daher jetzt auch versprochen, das Kinderbildungsgesetz (Kibiz) so zu reformieren, dass die Träger künftig auskömmlich arbeiten können. So sollen die Eigenanteile für alle Kindergartenträger sinken. Daneben soll der sehr hohe Eigenanteil, den Kommunen als Kita-Träger erbringen müssen, dem von Wohlfahrtsverbänden und anderen Trägern angenähert werden. „Für Städte und Gemeinden wird es hierdurch wesentlich leichter, den weiteren Ausbau von Kitas effektiv zu steuern“, sagt der Städtetag.

Dankbar für jeden Euro, der in Kitas gesteckt wird

Das hofft auch Jugendamtsleiter Ulrich Engelen. „Es wird eine Verbesserung für uns geben. Doch so lange die Eckdaten nicht vorliegen, wissen wir ja nicht, wie hoch die Entlastung ausfällt.“ Schließlich müsse eine enorme Finanzierungslücke geschlossen werden: So betrug das Rettungspaket für 2017/2018 fast 15 Millionen Euro. „An die Träger wurden 11,8 Millionen Euro weitergeleitet, gut 3,1 Millionen Euro wurden beim städtischen Kita-Träger verwendet.“

Auch der Kita-Zweckverband als Träger der katholischen Kitas begrüßt zwar die Ankündigung der Landesregierung, will aber abwarten, „ob die konkrete Umsetzung zur finanziellen Auskömmlichkeit führt“. Seit Jahren habe man eine Überarbeitung von Kibiz gefordert, um die Mangelwirtschaft zu beenden, sagt die kommissarische Geschäftsführerin Mirja Wolfs. „Wir sind dankbar für jeden Euro, der ins Kita-System gesteckt wird.“

>>> EIN PAKT FÜR KINDER UND FAMILIE

Am Dienstag hat NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) seinen „Pakt für Kinder und Familie“ vorgestellt, der die Reform des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) unterfüttern soll. Unter anderem ist ab 2020/21 ein zweites beitragsfreies Kita-Jahr geplant.

Mit 750 Millionen Euro, die Land und Kommunen zu gleichen Teilen tragen, soll u.a. dafür gesorgt werden, dass keine Kita mehr unterfinanziert ist. 210 Millionen Euro aus dem Budget stellen sicher, dass künftig auch das vorletzte Kita-Jahr kostenlos ist.