Essen. Der Kunsthandel steht still. Galeristen wie Torsten Obrist wollen weiter digital präsent sein. Gutscheinkauf soll Existenz von Künstlern sichern.
Torsten Obrist weiß, dass man als Kunsthändler immer wieder neue Wege gehen muss. Der Kunsthistoriker, der seine Galerie seit 20 Jahren in Essen führt, hat schon Zweigstellen in Zürich und Düsseldorf betrieben, sorgt auf Messen von Moskau bis Toronto zudem für internationale Aufmerksamkeit und Sammler-Interesse. Auch den Folgen der Corona-Pandemie will sich der 54-Jährige nun nicht tatenlos aussetzen. Mit seinen Forward-Art-Gutscheinen hofft der Galerist zumindest einen Teil der Krise abzufedern, die auch die Kunstszene dramatisch trifft.
Torsten Obrist will die Galerie noch stärker zum Treff für jüngere Zielgruppen machen
Denn wie alle Kultureinrichtungen im Land haben auch die Galerien seit Mitte März geschlossen. Der Lockdown kam just zum 20. Geburtstag, den Obrist doch eigentlich mit einer großen Jubiläums-Schau und einer besonderen Jubiläumsparty hätte feiern wollte. Band und DJ waren eingeladen, die Galerie in unmittelbarer Nähe zum Museum Folkwang sollte in Zukunft noch stärker zum Szene-Treffpunkt auch für jüngere Zielgruppen avancieren, hatte Obrist geplant: "Die Leute sind eventverwöhnt."Aber dann kam Corona. Und so muss sich Torsten Obrist auch im Jubiläumsjahr wieder etwas Neues einfallen lassen. Mit den Forward-Art-Gutscheinen, die er zum Preis von 500 und 1.000 Euro verkauft, kann man zu einem späteren Zeitpunkt Arbeiten im Wert von 600 bzw. 1.200 Euro kaufen, pro Gutschein also mit 20 Prozent Rabatt rechnen.
Die Galerie ist das Herzstück der Künstlerbetreuung
Jetzt zahlen und später einlösen - mit dieser Art von Gutschein-Unterstützung hofft Obrist, wie viele andere Kultureinrichtungen, die Corona-Zeit überbrücken zu können und auch den Künstlern und Künstlerinnen "weiterhin ein existenzsicherndes Auskommen zu ermöglichen", so sein Wunsch.
Denn auch wenn so manches heute digital in Umlauf zu bringen ist. "Die Galerie ist das Herzstück", findet Obrist: "Man kann einen Künstler nur vernünftig präsentieren, wenn man eine Ausstellung macht." Ein Satz, der das Selbstverständnis der meisten Galeristen trifft, die eben nicht nur Kunst verkaufen, sondern die Karrieren ihrer Künstler auch persönlich begleiten und betreuen, meist über viele Jahre.
Die Galerie war mal Kruppscher Konsum und ein Bodybuilding-Studio
Rund 15 Kreative, etablierte Künstler, aber auch junge Entdeckungen, gehören heute zum festen Stamm der Galerie Obrist, die 2006 von der Rüttenscheider Straße an die Kahrstraße 59 gezogen ist. Einst Kruppscher Konsum, später mal das Bodybuilding-Studio, in dem der spätere Hollywood-Star Ralf Möller seine Muskeln aufgebaut hat, beherbergt der große weiße Raum heute prägnante junge und zeitgenössische Positionen auf internationaler Ebene; vom renommierten Essener Künstler Jürgen Paas bis zum fotografierenden Kabarettisten Dieter Nuhr. Deutschlands vielbeschäftiger Satiriker, der inzwischen von Moskau bis Peking ausstellt, hat im Frühjahr bereits seine vierte Foto-Schau in Essen gezeigt.
Satiriker Dieter Nuhr zeigt seine Fotografien regelmäßig in Essen
Eine Nuhr-Arbeit gehört natürlich auch zur Jubiläumsschau, die lauter Highlights aus den vergangenen Jahren versammelt. Und so hängt das wohl persönlichste Obrist-Lieblingsbild, "Der Galerist " von Marcella Böhm, nun zwischen der "Nagelkreuzung" von Günther Uecker, steht Andreas Titzraths "Heilige Appetitlosigkeit" dem farbwirbelnden "Morning Tea" von Jürgen Jansen gegenüber.
Torsten Obrist zeigt nur Kunst, "für die ich Feuer und Flamme bin"
Kein strenges Konzept, nur die persönliche Lust hat Torsten Obrist beim Hängen geleitet. "Man kann das Profil der Galerie ganz gut erkennen", findet der Essener Kunstexperte, der sich anfangs fürs Informel interessierte, bald auch Begeisterung für "konkrete Positionen" entwickelte und immer wieder neue Entdeckungen macht wie die Kölnerin Ilka Helmig. Obrist will kein strenges Stil-Korsett, er zeigt einfach Kunst, "für die ich Feuer und Flamme bin". Sich nur an Trends auf dem Kunst-Markt zu orientieren, sei das falsche Konzept. "Irgendwann trauen einem die Leute nicht mehr." Und so will er weiter neue Wege gehen. Und mit "Forward Art" die Zukunft sichern.
Essener Galerien im Netz
Die Jubiläums-Schau "20 Jahre Galerie Obrist" ist aufgrund der Corona-Auszeit bis zum 30. Mai 2020 verlängert. Forward Art-Gutscheine können bis 30. Mai online unter www.galerie-obrist.de bestellt werden.
Kunst direkt im Netz verkauft der Essener Galerist Frank Schlag auf https://www.collectors-sale.com/ Ein virtueller Besuch der Ausstellung Klasse Penck - "Blue is hot and Red is cold" - Hommage an A. R. Penck" ist möglich unter www.german-modern-art.com
Auch die Essener Galerie KK bittet zum virtuellen Rundgang durch die Ausstellung "Animal Utopia II" von Hartmut Kiewert: www.galerie-kk.de