Essen. Große Auszeichnung für das Essener Museum Folkwang: Die deutschen Kunstkritiker loben es für seine Besucherfreundlichkeit und Kunst-Qualität.

An diesem Sonntagmorgen ist die Atmosphäre im großen Eingangsfoyer des Museums noch sehr gelassen. Familien schlendern ins Folkwang, andere mit wachen Augenpaaren unter grauem Haar, Flaneure, Zeitvertreiber, Kunst- und Lebensgenießer. Hier ahnt noch niemand, dass die deutschen Kunstkritiker bei ihrer Jahrestagung in Köln das Folkwang zum „Museum des Jahres“ gewählt haben. Die Menschen wollen sich die Bilder der Fotografin Aenne Biermann ansehen oder den Minne-Brunnen und die anderen Stars der hauseigenen Sammlung oder aber die Sonderschau „Der montierte Mensch“ samt der dazugehörigen Ausstellung über Roboter in der Popkultur, zu denen das Haus am Vortag noch ein Symposion mit Experten aus aller Welt über die Bühne gehen ließ. Und wenn sie wüssten, dass sie ins „Museum des Jahres“ gehen würden, wären sie wohl erst recht gekommen.

Die deutsche Sektion des internationalen Kunstkritiker-Verbands Aica („Association Internationale des Critiques d‘Art“) betonte, dass es „dem traditionsreichen und besonders besucherfreundlichen Haus“ immer wieder gelungen sei, „seine bedeutende Sammlung mit thematisch aktuellen Sonderausstellungen zu verbinden“, etwa in der noch bis zum 15. März laufenden Schau „Der montierte Mensch“. „Das Folkwang setzt mit Erfolg alles daran, dem Bildungsauftrag der Museen nahezukommen und gleichzeitig für sein Publikum attraktiv zu sein, ohne Kompromisse zu machen“, betonte Danièle Perrier, die Präsidentin der deutschen Aica-Sektion.

Direktor Peter Gorschlüter: „Das war eine Teamleistung!“

Das Museum

Das Museum Folkwang wurde 1902 von dem Mäzen Karl Ernst Osthaus in Hagen gegründet. Dessen Erben verkauften die Folkwang-Sammlung 1921 nach Essen.

2010 wurde der von der Krupp-Stiftung mit 40 Millionen Euro finanzierte Neubau des Hauses nach Plänen von David Chipperfield zum Kulturhauptstadt-Jahr eingeweiht.

Die letzten fünf Direktoren des Folkwang waren Georg W. Költzsch (1988-2003), Hubertus Gaßner (2003-2006), Hartwig Fischer (2006-2012), Tobia Bezzola (2012-2018) und Peter Gorschlüter (seit 2018).

Zudem habe der Direktor Peter Gorschlüter das Haus attraktiver gemacht durch eine thematische Hängung der Ständigen Sammlung, anstelle einer historisch-chronologischen. Gorschlüter betonte gegenüber unserer Redaktion, dass der Kunstkritiker-Verband eine „Teamleistung“ ausgezeichnet habe. „Das Team ist wunderbar! Ich verstehe mich als Dirigenten, der das Momentum des Neuanfangs im Jahr 2018 genutzt hat; wir haben in relativ kurzer Zeit relativ viel auf den Weg gebracht. Und wir sind mit vielen kleinen Maßnahmen unserem Ziel nähergekommen, ein offenes Haus zu sein, in dem sich alle wohlfühlen, auch wenn sie keine Bildungsbürger sind, ohne dass das Museum unterkomplex wird.“ Dazu zählt Gorschlüter Dinge wie das freie WLAN oder die kostenlose App fürs Folkwang. Ohnehin lobte der Kunstkritiker-Verband: Das Vorbild, für den freien Eintritt in die hauseigene Sammlung einen Mäzen zu finden und so die Besucherzahlen deutlich anzuheben, sei „unbedingt nachahmenswert“.

Und jetzt? „Diese Auszeichnung“, so ein ebenso glücklicher wie stolzer Peter Gorschlüter, „ist natürlich auch ein Ansporn, so weiterzumachen!“

Erster Preisträger war das Kurhaus Kleve; 2006 das Bottroper Quadrat

Die deutschen Kunstkritiker vergeben die Auszeichnung „Museum des Jahres“ seit 2004; erster Preisträger war das Kurhaus in Kleve; 2006 wurde das Bottroper Museum Quadrat ausgezeichnet, 2011 das Museum für Gegenwartskunst in Siegen und zuletzt das Aachener Ludwig Forum für Internationale Kunst. Er zeichnet damit Museen aus, „die quer zu den herrschenden Trends liegen und sich dem Art-Entertainment verweigern“ und „mit größtmöglicher Distanz zum kommerziellen Kunstbetrieb an den überlieferten Verpflichtungen des Sammelns, Bewahrens und Erschließens festhalten; die den Anspruchscharakter der Kunst nicht aufgeben und sich gleichwohl aufgeschlossen gegenüber ihrem Publikum und dessen Erwartungshaltungen erweisen.“

Der Kunstkritiker-Verband wählte zudem die „Ausstellung des Jahres“, zu der die Schau „Palast der Republik“ in der Kunsthalle Rostock gekürt wurde; sie habe die Geschichte des gleichnamigen einstigen und mittlerweile abgerissenen SED-Prachtbaus in Berlin leicht verständlich und wissenschaftlich sachlich dargestellt. Den Titel „Besondere Ausstellung“ erhielt die Schau „The Making of Husbands: Christina Ramberg in Dialogue“ am Berliner Ausstellungsort Kunst-Werke. Zudem wurde der Düsseldorfer Kritiker Gerd Korinthenberg zum neuen Vizepräsidenten der deutschen Aica-Sektion gewählt.