Essen. Stadt schließt nicht aus, dass die Frauen ihre Dienste nun in Wohnungen anbieten. Ein “wilder Straßenstrich“ hat sich bislang nicht etabliert.
Zwei Wochen nach dem coronabedingten Aus für den Straßenstrich an der Gladbecker Straße, das Bordell an der Stahlstraße und vergleichbare Prostitutionsbetriebe in Essen hat sich das horizontale Gewerbe zumindest teilweise hinter verschlossene Türen zurückgezogen. Die Stadt schließt "eine Verlagerung der Frauen in die illegale Wohnungsprostitution" jedenfalls nicht aus, da die Angebote auf einschlägigen Webseiten weiterhin verfügbar seien, sagt deren Sprecherin Silke Lenz.
Diese Einschätzung teilt auch Maike van Ackern vom "Strichpunkt", der ebenfalls geschlossenen Betreuungsstelle auf dem ehemaligen Kirmesplatz: "Natürlich wird das so sein, dass ein Teil der Frauen weiter arbeitet." Wer nicht offiziell gemeldet ist, keine Steuer-Identifikation besitzt und somit weder Arbeitslosengeld II noch eine finanzielle Soforthilfe des Landes beantragen könne, werde in Wohnungen oder Autos anschaffen - "unter teils prekären Bedingungen", wie van Ackern weiß. Dies gelte vor allem für Drogenabhängige und Frauen aus dem Südosten Europas, die sonst gänzlich ohne Geld da stünden.
Strichhelfer versuchen Kontakt zu den Prostituierten zu halten
Die Helfer versuchen so gut es geht, Kontakt zu den Prostituierten zu halten, was unter diesen erschwerten Bedingungen aber nicht durchgängig gelinge. Gerade die, die sich jetzt weiterhin anbieten, "werden uns nicht erzählen, was sie gerade tun", ist Maike van Ackern überzeugt - auch aus Angst vor Konsequenzen.
Andere anfängliche Befürchtungen von Stadt und Polizei haben sich indes nicht bestätigt: Bislang ist in Essen keine "Ausweichtaktik" in der Öffentlichkeit festzustellen, es hat sich kein "wilder Strich" etabliert, sagen Polizeisprecherin Judith Herold und Lenz übereinstimmend. Beide Behörden werden aber weiterhin ein Auge auf die Entwicklung haben, heißt es.
Ein belastbares Lagebild muss sich noch abzeichnen
Ein belastbareres Lagebild wird sich wohl erst in den kommenden Wochen abzeichnen, heißt es bei der Stadt, die ebenfalls weniger Kontaktmöglichkeiten hat: Aus Gründen des Infektionsschutzes sind Gesundheitsberatungen und auch die pflichtigen Anmeldungen nach dem Prostitutionsschutzgesetz aktuell nicht möglich.
Die Stadt Essen hatte Mitte März die Schranken am Straßenstrich heruntergelassen, die Zufahrt zu den Verrichtungsboxen gesperrt und den Verkehr auf dem öffentlichen Gelände untersagt. Die Laufhäuser am Rande der Innenstadt wurden ebenfalls geschlossen.
Im Tagesschnitt gingen 20 bis 30 Frauen auf dem Straßenstrich anschaffen
Zuletzt gingen im Tagesschnitt zwischen 20 und 30 Frauen an der Gladbecker Straße anschaffen. Die Hilfeanbieter vor Ort erreichten in einem Jahr einen Großteil der rund 150 Prostituierten, die dort ihre Dienste anbieten. Die Beratung zum Ausstieg, aber auch die Gesundheitsvorsorge war dabei ein wichtiges Thema: Binnen zwölf Monaten wurden fast 5000 Kondome ausgegeben und über 30.000 gebrauchte Drogenspritzen gegen neue eingetauscht.
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