Essen. Die französischen Krankenhäuser in Lothringen sind völlig überlastet. Deshalb übernimmt das Uniklinikum Essen die Behandlung von vier Franzosen.

Es ist später Samstagvormittag, als der schwere französische Militärhubschrauber nach gut anderthalbstündigem Flug sanft auf dem Flughafen Essen-Mülheim aufsetzt. An Bord: Zwei Männer aus Lothringen, die schwer am Coronavirus erkrankt sind. Im Laufe des Sonntags traf der zweite Helikopter mit zwei weiteren Franzosen aus Metz ein. Weil die Kliniken auf der anderen Rheinseite hoffnungslos überlastet sind, übernehmen jetzt Spezialisten des Universitätsklinikums Essen die Behandlung dieser vier Patienten. Es ist eine Operation, die in Zeiten der Corona-Krise auch ein Signal der Menschlichkeit senden soll: Europa hält zusammen.

Am frühen Sonntagnachmittag trifft der zweite Hubschrauber mit zwei weiteren Patienten ein. Der Intensivtransport der Essener Feuerwehr bringt sie zur Uniklinik Essen.
Am frühen Sonntagnachmittag trifft der zweite Hubschrauber mit zwei weiteren Patienten ein. Der Intensivtransport der Essener Feuerwehr bringt sie zur Uniklinik Essen. © anc-news

„Die Männer, die seit Samstag bei uns sind, befinden sich in einem kritischen, aber stabilen Zustand“, sagt Professor Dr. Thorsten Brenner, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Essener Universitätsklinikum. Erst vor vier Wochen hat der 41-Jährige den Chefposten in Essen übernommen. Viel Zeit zum Einarbeiten blieb dem Neuen aus Heidelberg nicht. Die Corona-Krise ist auch für ihn die größte Herausforderung seiner Mediziner-Laufbahn. Trotzdem strahlt Brenner eine demonstrative Gelassenheit aus. „Die Situation ist sehr entspannt.“

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Für die Hilfsaktion erhält die Uniklinik viel Lob - und 1000 „Likes“ bei Facebook

Bei den Menschen kommt die deutsch-französische Hilfsaktion gut an. Binnen weniger Stunden hätten mehr als 1000 Facebook-Nutzer den „Like“-Button der Uniklinik Essen gedrückt. Aber es gibt auch kritische Stimmen, etwa von jenen, die befürchten die Franzosen könnten einheimischen Corona-Kranken die dringend benötigten Betten wegnehmen. Damit bloß keine unnötigen Missverständnisse aufkommen, stellt Professor Brenner unmissverständlich klar: „Wir können die französischen Patienten behandeln, ohne die Versorgung der Menschen in Essen und im umliegenden Ruhrgebiet zu gefährden.“

Der Chef der Anästhesiologie verweist nüchtern auf die Zahl der Intensivbetten. Zwei Stationen mit insgesamt 40 Betten in strikter Einzelzimmer-Belegung seien komplett geräumt worden für Covid-Patienten. Lediglich ein Drittel davon sei zurzeit belegt. Weil eine weitere Station zur Intensivstation aufgestuft wurde, stünden aktuell insgesamt 62 Betten für Patienten mit dem Coronavirus bereit. „Und wir können noch weiter aufstocken“, fügt der Anästhesist hinzu.

Klinikdirektor: „Einige unserer Ärzte haben Französisch als Muttersprache“

Neuer Direktor der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Essen: Professor Dr. Thorsten Brenner.
Neuer Direktor der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Uniklinikum Essen: Professor Dr. Thorsten Brenner. © UKE

Jedem Patienten stehe in der Essener Corona-Intensivstation ein Beatmungsgerät zur Verfügung. Das sei in der Region Grand-Est (früher Lothringen) leider nicht der Fall. Die Intensivressourcen dort seien nahezu erschöpft. „In den Krankenhäusern fehlen Beatmungsbetten, deshalb stößt die Beatmungskapazität an ihre Grenzen.“

Und wie funktioniert die Verständigung zwischen deutschem Arzt und französischem Patient? Dank gewissenhafter Vorbereitung kümmern sich Ärzte um die vier Eingeflogenen, die das Französische exzellent beherrschen. „Einige unserer Ärzte haben Französisch als Muttersprache oder sie sind zweisprachig aufgewachsen“, sagt Brenner. Diese frankophonen Ärzte sind es auch, die in ständigem Austausch mit den Angehörigen der Schwerkranken stehen. „Sie telefonieren täglich miteinander.“

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