Essen. Weil sich einige Bürger nicht daran halten, Abstand zu anderen zu halten, leistet die Essener Polizei nun auch Amtshilfe auf dem Spielplatz.
Es wirkt alles irgendwie unwirklich, berichtet ein Essener Polizist. Was vor einigen Wochen noch niemanden in den Sinn gekommen wäre, ist nun gelebte Realität: Ordnungsdienstmitarbeiter und Polizisten, die spielende Kinder und Jugendliche von Bolz- und Spielplätzen verscheuchen.
Während sich in weiten Teilen der Stadt die Straßen merklich geleert haben, dringen mancherorts die Appelle offensichtlich immer noch nicht durch, tunlichst Zuhause zu bleiben und mindestens anderthalb Meter Abstand zur nächsten Person zu halten. So entwickelt sich der Baldeneysee dieser Tage zu einem der am stärksten kontrollierten Gebiete in Essen, die von Stadt und Polizei regelmäßig patrouilliert werden. Das Ziel: Ansammlungen von Menschen verhindern.
Ordnungskräfte lösen Versammlung am Baldeneysee auf
Jüngst erhielt die Polizei Kenntnis über eine größere Gruppe Jugendlicher, die mit Bierflaschen und Knabberzeug auf dem Weg zum Anleger der Weißen Flotte in Heisingen war. Seit je her ein beliebter Treffpunkt bei schönem Wetter. Ordnungsamt und Polizei lösten die Versammlung auf und erteilten Platzverweise. Doch die Ruhe hielt nicht lang. Als die Einsatzkräfte abgerückt waren, kamen die Jugendlichen wieder. Ein Kampf gegen Windmühlen, wie ein Beamter bestätigt.
Doch längst nicht nur am Baldeneysee, sondern gerade auch in den Parks des Essener Nordens kommt es bei dem frühlingshaften Wetter trotz geltender Verbote immer wieder zu Menschenansammlungen, die aufgelöst werden müssen. Werden die neuen Verhaltensregeln der Stadt schlicht ignoriert?
„Wir stellen fest, dass wir unsere Informationen in bestimmten Bevölkerungsgruppen tatsächlich nicht ankommen“, sagt Stadtsprecherin Silke Lenz: „Wir haben Meldungen von vielen Ansammlungen von Menschen vor allem aus der libanesischen und südosteuropäischen Community.“
Dolmetscher sollen die Ordnungskräfte der Stadt begleiten
Um auch in diesen Bevölkerungsgruppen für mehr Information über die derzeitige Lage und die neuen Regeln zu sorgen, sei die Stadt bereits im Austausch mit den örtlichen Migrantenorganisationen. So könnten mehrsprachige Aushänge genauso für mehr Verständnis sorgen wie Dolmetscher, die die städtischen Ordnungskräfte auf ihren Kontrollen begleiten.
Zudem gebe es einen ersten Plan, die Bürgerhotline der Stadt zum Thema Corona-Virus mehrsprachig mit zusätzlichen Mitarbeitern zu besetzen.
Wenn die Menschen mitbekommen, dass die Behörden nicht nur verbieten, sondern ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen und womöglich auch noch erkrankten Angehörigen helfen, dürfte das vielleicht zu einer erhöhten Akzeptanz von notwendigen Maßnahmen führen, hofft die Stadt.
Verstöße gegen die Vorschriften können als Straftat bewertet werden
Silke Lenz macht in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich, dass wiederholte Verstöße gegen die Vorschriften und damit das Infektionsschutzgesetz Delikte sind, die eine Straftat bedeuten können und so schnell zum Fall für die Staatsanwaltschaft werden. Man werde Missachtungen konsequent anzeigen. Die Stadtsprecherin appellierte noch einmal an die Verantwortung der Essener Bevölkerung: „Wir brauchen die gegenseitige Solidarität und Rücksichtnahme.“
Worauf Essener Polizisten jetzt achten
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Auch an anderer Stelle, so berichtet ein Essener Polizist, erlebten die Beamten Ähnliches. Gestern noch verdächtigen Clan-Mitgliedern auf die Pelle gerückt, verscheuche man heute Unwissende oder Ignoranten von Spielplätzen und Wiesen. Und das seien längst nicht nur Kinder, sondern oft auch deren Großeltern, die jetzt einspringen, weil Kindergärten und Schulen geschlossen sind. Dabei sind gerade ältere Menschen am stärksten durch das Coronavirus gefährdet.
Einige hören auf die Mahnung der Polizisten, andere gehen einfach nur ein paar Meter weiter auf eine Wiese und spielen dann dort. Eine „unbefriedigende“ Situation für die Polizisten, wie ein Beamter sagt, der sich zwar für noch mehr Aufklärung stark macht, die Notwendigkeit einer Ausgangssperre aber ebenfalls betont: „Anders kriegen wir das nicht in den Griff.“ Wie die Einhaltung einer solchen Ausgangssperre in Essen kontrolliert werden soll, ist dem erfahrenen Polizisten indes selbst ein Rätsel.
„Das ist in erster Linie Aufgabe des städtischen Ordnungsamtes“, erklärt eine Polizeisprecherin, aber selbstverständlich leisten die Essener Polizisten Amtshilfe, wenn danach gefragt wird.