Essen. Keine Schule, Spielplätze gesperrt: Kinderschützer in Essen sorgen sich um das Wohl von Kindern in vielen Familien. Beratung findet online statt

Keine Schule, keine Kita, Spielplätze und Jugendzentren geschlossen: In den nächsten Wochen ist mit einer Steigerung der Zahlen häuslicher Gewalt zu rechnen, die sich gegen Kinder richtet. Das befürchtet der Deutsche Kinderverein mit Sitz in Essen-Kettwig. Der Kinderschutzbund stellt sein Beratungsangebot für Eltern und Kinder unterdessen verstärkt um auf Telefon- und Onlinedienste.

Zweifel an Wirksamkeit der Kontrollen

Spiel- und Bolzplätze in Essen zu betreten, ist verboten. Spätestens am Mittwoch um 15 Uhr muss damit Schluss sein. Das hat die Stadt angekündigt. Mit zehn motorisierten Streifen will das Ordnungsamt neuralgische Plätze aufsuchen, die bekannt sind für größere Zusammenkünfte. Zum Beispiel die Regattatribüne am Baldeneysee. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stadt wirklich so streng kontrolliert und jeden Spielplatz abklappert", sagt eine Mutter auf einem Spielplatz am Baldeneysee in Essen-Heisingen. Ob sie die Verbote überzogen findet, will sie nicht sagen.

Zwei Kilometer Luftlinie, Heisingen Ortsmitte, auch hier ist ein beliebter Spielplatz. "So richtig anfreunden kann ich mich nicht mit dem Gedanken, dass Spielplätze nicht mehr erlaubt sind", sagt Annette Förster, Mutter einer achtjährigen Tochter. "Wir sind ja nicht wirklich betroffen, weil wir noch einen Garten haben, in dem sich die Kinder verabreden können." Da ginge es Kindern und Eltern in den Innenstadt-Bereichen schon viel schlechter: "Die sind doch noch viel mehr auf öffentliche Flächen angewiesen."

Zusammenleben in der Familie: anstrengend und überfordernd

In der Tat weist der Deutsche Kinderverein, der seinen Sitz in Essen hat, auf ein großes Problem hin, das sich hinter geschlossenen Türen abspielt - und sich durch die immer strenger werdenden Auflagen verschärfen wird: "Zusammenleben in einer Familie kann anstrengend und überfordernd sein, für manche Kinder ist es lebensgefährlich", sagt Rainer Rettinger, der Geschäftsführer des Vereins. "Wer gefährdete Kinder für Wochen von der Außenwelt abschneidet, braucht Konzepte im Umgang mit Familien, in denen aus der Beziehung von Eltern und Kind eine Beziehung von Tätern und Opfern wird."

Forderung: mehr Online-Hilfen

Deshalb fordert Rettinger: Online-Hilfen für Kinder und Eltern müssten sofort aufgestockt werden. Lehrer und Erzieher müssten aktiv von der Jugendhilfe angehört werden, denn nur sie wüssten oft von den Situationen in den Familien. Dazu bräuchten die Jugendämter mehr Personal, und Rettingers Appell richtet sich an alle Bürger: "Wenn Sie Zweifel am Wohl eines Kindes in Ihrer Umgebung haben, teilen Sie Ihre Sorgen dem Jugendamt mit, das geht auch anonym."

Entladung von Frust und Wut

"In den nächsten Wochen ist damit zu rechnen, dass sich Frust und Wut in den Familien innerhalb der eigenen vier Wände entladen", sagt auch Heike Pöppinghaus vom Deutschen Kinderschutzbund. "Für Eltern ist den Kindern jetzt besonders schwierig zu vermitteln, dass dies keine Ferien sind."

Weil die Beratungsstelle des Kinderschutzbundes ihre persönlichen Sprechstunden wegen der Coronakrise eingestellt hat, wird vermehrt Onlineberatung angeboten. Die Erziehungsberatungsstellen des Kinderschutzbundes sind zu erreichen unter den Internet-Adressen www.bke-jugendberatung.de und www.bke-elternberatung.de.