Essen. Wegen Corona-Gefahr mussten die Restaurants schließen. Ein Anwalt sagt: Hätte die Stadt anders formuliert, gäbe es vermutlich Entschädigungen.
Seit Dienstag sind in Folge der Ausbreitung des Coronavirus in Essen alle Restaurants geschlossen. Die Inhaber hoffen auf Hilfe durch die Politik – eine Formulierung in der Allgemeinverfügung der Stadt könnte aber dafür sorgen, dass sie wichtige Entschädigungszahlungen nicht bekommen.
„Paragraph 56 des Infektionsschutzgesetzes regelt die Entschädigung für Menschen, die aufgrund behördlicher Anordnung nicht arbeiten dürfen, weil sie sich mit einer ansteckenden Krankheit infiziert haben oder in Verdacht stehen, das Virus zu verbreiten“, erklärt der Essener Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Jürgen Graser. Die Entschädigung bemisst sich dabei nach dem Verdienstausfall und ermöglicht Unternehmern bei existenzieller Bedrohung die Erstattung von Betriebskosten.
Fachanwalt sieht Formulierungsproblem in der Allgemeinverfügung
Im ersten Absatz des Paragraphen heißt es: „Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld.“
Hier sieht Graser das Formulierungsproblem in der Allgemeinverfügung. Die Stadt beruft sich nur allgemein auf Paragraph 28 des Infektionsschutzgesetzes, der die Schließung bestimmter Örtlichkeiten erlaubt, wenn dadurch die Verbreitung übertragbarer Krankheiten verhindert werden kann. „Es wird aber in der Allgemeinverfügung nicht explizit erwähnt, dass die Betriebe schließen müssen, weil Ansteckungsgefahr durch Inhaber oder Mitarbeiter droht“, so Graser.
Rechtsamt der Stadt Essen prüft den Fall zurzeit
Hätte man diese Begründung hinzugefügt, wäre dem Rechtsanwalt zufolge mit großer Wahrscheinlichkeit für viele Betroffene die Chance auf eine Entschädigung auf Grundlage des Paragraphen 56 eröffnet worden. „Das wäre eine wichtige Unterstützung für Selbstständige in dieser schwierigen Zeit gewesen“, sagt Graser. „Aber diese Tür hat man leider nicht geöffnet.“
Stadtsprecherin Silke Lenz sagte auf Nachfrage: "Aus Sicht des Rechtsamtes der Stadt Essen ist die mitgeteilte Schlussfolgerung zunächst auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar." Das Rechtsamt der Stadt Essen prüfe dies aber derzeit. Entschädigungsansprüche seien darüber hinaus in jedem Einzelfall zu prüfen.
Auf die Entschädigungszahlung gehofft hatten Ursula und Henning Matzke, Inhaber des Restaurants „Der Bonner Hof“ in Kettwig. Seit ihr Restaurant schließen musste, bieten sie Gästen an, sich ihr Essen abzuholen. Die Verdienstausfälle könne man so aber bei Weitem nicht ausgleichen, sagt Ursula Matzke: „Das ist nicht mal ein Zubrot. Wir machen die Aktion eher, um zu zeigen: Hallo, wir sind noch da.“
Weiterzuarbeiten gebe zumindest Energie, das Gefühl, dass man noch kämpfe. Aber: „Wir führen das Restaurant jetzt seit über 30 Jahren und haben immer alles geschafft. Nun haben wir Existenzängste“, so Ursula Matzke.
Restaurantinhaber versuchen, sich durch Abholangebote über Wasser zu halten
Seit 38 Jahren sind Helene und Klaus Gummersbach Inhaber des Restaurants „Gummersbach“ am Borbecker Schlosspark. Sie haben ebenfalls einen Abholservice ins Leben gerufen. Kunden können online oder per Telefon Speisen bestellen und dann vor Ort abholen.
Statt auf Porzellantellern gibt es das Essen dann in einer biologisch abbaubaren Pappbox. Mit der Resonanz sei sie zufrieden, sagt Helene Gummersbach: „Es haben sich viele Kunden mit ganz lieben Worten bei uns gemeldet. Wir sind froh, dass wir etwas tun können und dass es irgendwie weitergeht.“
Die Verluste durch die Restaurantschließung könne man jedoch nicht annähernd ausgleichen: „Von dem Geld, das wir durch Abholungen verdienen, können wir nicht leben.“ Wahrscheinlich müssten die beiden 66-jährigen Gastronomen deshalb nun ihre gesamte Altersvorsorge in das Restaurant stecken. Viele Mitarbeiter müssten außerdem in Kurzarbeit.
Verluste durch Restaurantschließungen lassen sich durch Lieferservice ausgleichen
Auf Abholer setzt auch das koreanische Restaurant "Sa Rang Bang" in Rüttenscheid. Zusätzlich kann man sich das Essen von dort ab einem Mindestbestellwert von 30 Euro liefern lassen. „Im Moment läuft es aber noch nicht so gut“, sagt Inhaber Sang-Yong Kim. „Wir hoffen, dass sich bald noch herumspricht, dass wir jetzt auch liefern.“
Außerdem setze er darauf, dass die Leute aufgrund der sich schmälernden Auswahl an asiatischen Restaurants bei ihm bestellen, wenn sie einmal Lust auf etwas Asiatisches haben. Im Moment könne aber auch er den Verdienstausfall durch die Restaurantschließung nicht im Geringsten ausgleichen. Angst, schließen zu müssen, habe er im Moment noch nicht, sagt der Gastronom. Aber: „Ich musste bereits Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken – und vielleicht muss ich auch einigen kündigen.“
Bundesregierung hat Maßnahmenpaket zur Hilfe von Unternehmern beschlossen
Die Bundesrepublik hat ein Maßnahmenpaket zur Unterstützung von Unternehmern in Zeiten des Coronavirus beschlossen. Dazu gehört eine Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen für das Kurzarbeitergeld. So kann Kurzarbeitergeld unter anderem bereits dann beantragt werden, wenn zehn Prozent der Beschäftigten vom Ausfall betroffen sind.
Außerdem gibt es steuerliche Liquiditätshilfen für Unternehmen. Unter anderem wird die Stundung von Steuerzahlungen erleichtert, Vorauszahlungen können leichter abgesenkt werden.
Die Liquidität von Unternehmen soll zudem durch neue, im Volumen unbegrenzte Maßnahmen geschützt werden. Dazu werden die bestehenden Programme für Liquiditätshilfen ausgeweitet und für mehr Unternehmen verfügbar gemacht, etwa die KfW- und ERP-Kredite.