Essen. Aus Angst vor dem Coronavirus meiden viele Menschen öffentliche Orte. Essener Gastronomen klagen über weniger Kunden und starke Umsatzrückgänge.
Giannitza Gouzioti macht sich Sorgen. Die Inhaberin des Restaurants „Mezzo Mezzo“ mit Filialen in der Lichtburg und auf Zollverein hat eigentlich regelmäßig große Gruppen zu Gast, vor allem Messegäste oder Firmengruppen. Nun aber sagen immer mehr Gäste ihre Reservierungen ab – aus Angst, sich mit dem Coronavirus anzustecken.
In den vorangegangen zwei Wochen habe sie 30 Prozent weniger Umsatz gemacht, diese Woche seien es schon 60 Prozent weniger. „Gerade hat eine Gruppe von 35 Personen abgesagt, davor eine Gruppe von 35 Personen“, erzählt die Gastronomin. Vor allem ältere Leute kämen nicht mehr. Und auch Laufkundschaft gebe es deutlich weniger: „Wer geht schon in die Stadt, wenn er Angst vor dem Virus hat?“ Gouzioti hat Existenzängste: „Ich habe schließlich laufende Kosten, ich muss meine Mitarbeiter bezahlen.“
Besonders ältere Gäste meiden Restaurants, außerdem Ausfälle durch Messeabsagen
So wie Gouzioti geht es vielen Essener Gastronomen. Immer mehr Menschen meiden aus Sorge vor dem Virus öffentliche Orte. Das führt zu sinkenden Gästezahlen und finanziellen Einbußen bei Restaurantbetreibern. Maria Tsakmakidou leitet das Restaurant „Zur Kluse“ in Bredeney. „Wir haben ein älteres Klientel, teilweise Senioren über 80“, so die Gastronomin. Gerade diese Risikogruppen kämen nun nicht mehr.
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Schon seit etwa drei Wochen hätten sie deshalb 30 bis 40 Prozent weniger Kunden, auch bedingt durch die Absage der Messen. Trotz Verdienstausfällen ständen sie zwar vermutlich noch vergleichsweise gut dar, so Tsakmakidou. Aber schon jetzt müssten Vollzeitkräfte in einer geringeren Stundenzahl eingesetzt werden, weil es für einfach zu wenig zu tun gebe.
Gastronom hofft auf Unterstützung durch die Politik
Martin Hennig, Inhaber des Restaurants „Hülsmannshof“ am Rande der Margarethenhöhe, berichtet ebenfalls von Stornierungen: „Eine 80-jährige Dame hat kürzlich die Reservierung für ihre Gesellschaft abgesagt, davor eine große Firmengesellschaft.“ Auch das À-la-carte-Geschäft ginge langsam zurück.
„Wenn das so weitergeht, ist das ein ganz klarer Einschnitt“, sagt Hennig. Der Gastronom baut nun auf die Hilfe der Politik, zum Beispiel durch die geplanten Sonderregeln für den Bezug von Kurzarbeitergeld, die ab April in Kraft treten sollen. Im Moment sei er noch zuversichtlich: „Ich gehe davon aus, dass sich die Situation irgendwann wieder beruhigen wird. Viele Gesellschaften haben mir gesagt, dass sie ihre Reservierungen nicht ganz absagen, sondern zum Beispiel auf den Sommer verschieben wollen.“
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Rüttenscheider Restaurant ruft große Gruppen an, um zu fragen, ob sie wirklich kommen
Auch die Szeneläden in Rüttenscheid bekommen die Corona-Angst zu spüren. „Einige große Gruppen haben ihre Reservierungen abgesagt“, berichtet Yu-Jin Chung, Inhaberin des „Gin & Jagger“ auf der Rüttenscheider Straße. Die Laufkundschaft, die normalerweise spontan auf einen Kaffee hereinkomme, habe sich ebenfalls verringert. Circa 20 Prozent weniger Gäste hätten sie seit dieser Woche, schätzt Chung. „Noch geht es, aber nervös sind wir schon.“
82 Prozent verzeichnen Umsatzausfall
Nach einer Schnellumfrage des Dehoga Nordrhein-Westfalen, an der sich 1.696 Gastronomen, Hoteliers und Caterer aus NRW beteiligt haben, verzeichneten 82 Prozent der Befragten Umsatzeinbußen. Der durchschnittliche Umsatzausfall seit Februar liegt bei rund 33 Prozent.
Bei 955 Gastronomen und Hoteliers, die ihre Ausfälle konkret bezifferten, entstand ein Umsatzrückgang von rund 62 Millionen Euro. Außerdem meldeten 89 Prozent der teilnehmenden Hoteliers und Gastronomen im Schnitt einen Rückgang von 41 Prozent bei den Neubuchungen.
Im Gastgewerbe in Nordrhein-Westfalen arbeiten in rund 51.000 Betrieben mehr als 400.000 Beschäftigte. Sie erwirtschaften mehr als 16,5 Milliarden Euro Umsatz.
Im Arbeitsalltag merke man, dass auch die Leute vorsichtiger würden. „Die Gäste halten Abstand“, so die Gastronomin. Das Team des Gin & Jagger hat nun als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme Aushänge gemacht. Die Schilder weisen Gäste darauf hin, sich die Hände zu waschen und keine benutzten Taschentücher auf dem Tisch liegen zu lassen. Große Gruppen werden im Vorhinein angerufen und gefragt, ob sie denn wirklich kommen. „Wir hatten jetzt schon den Fall, dass Leute nicht gekommen sind, ohne abzusagen. Das ist wirklich ärgerlich“, so Chung.
Dehoga-Sprecher: „Die Situation ist flächendeckend eine Katastrophe“
Sehr drastische Worte für die aktuelle Lage findet Thorsten Hellwig, Pressesprecher des nordrhein-westfälischen Dehoga-Verbundes: „Die Situation ist flächendeckend eine Katastrophe. Die Gäste brechen weg, in der Stadt wie auf dem Land.“ Für den einzelnen Unternehmer bringe das Fragen wie „Kann ich meine Liquidität erhalten?“ oder sogar „Muss ich schließen?“ mit sich.
Von der Politik fordert er Unterstützung für die betroffenen Gastronomen, zum Beispiel die schnelle und unbürokratische Vergabe von Notfallkrediten und konkrete Regelungen für die Kurzarbeit. „Wir sind vorsichtig-optimistisch, dass sich die Lage unter diesen Umständen entspannen kann“, so Hellwig. „Im Moment gleicht sie aber einem Tsunami.“