Essen. Theater und Philharmonie: Mitarbeiter fürchten ein Aussitzen der Probleme und fordern vom Aufsichtsrat Entscheidungen. Sondersitzung im März.
In der Frühjahrs-Sitzung des Aufsichtsrats der Theater und Philharmonie (TuP) geht es normalerweise ausschließlich um die Kunst. Die Spielpläne von Oper, Grillo-Theater, Ballett und Philharmonie müssen abgesegnet werden, bevor die Programme der Spielzeit 2020/21 in Druck gehen. Konflikte sind in diesen Sitzungen eher die Ausnahme. Längst ist ausgemacht, was das Publikum in der kommenden Saison auf den städtischen Bühnen zu sehen bekommt.
Die Sitzung an diesem Donnerstag sorgt allerdings schon im Vorfeld für Wirbel. Nach Ansicht des Arbeitskreises „Wir handeln jetzt“ soll der Aufsichtsrat den seit Wochen schwelenden Konflikt zwischen den Beschäftigen der Theater und Philharmonie und Geschäftsführer Berger Bergmann debattieren, statt sich nur um die Kunst zu kümmern.
Der Arbeitskreis hat inzwischen schon zwei Mitglieder verloren
Ob es am Donnerstag schon zur geforderten Generaldebatte kommt, ist jedoch mehr als fraglich. Denn noch stehen die Berichte der Untersuchungen aus, mit denen der ehemalige Verdi-Geschäftsführer Lothar Grüll als externer Vermittler und der von OB Kufen einberufene Arbeitskreis seit einigen Wochen beschäftigt sind. Ergebnisse sollen erst in einigen Tagen vorliegen.
Für den 24. März sei eine Sondersitzung zum Thema angesetzt, erklärt Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain. „Wir sind ergebnisoffen in den Prozess eingestiegen und haben viele Gespräche geführt. Das braucht seine Zeit“, erklärt Al Ghusain als Leiter des inzwischen merklich geschrumpften Arbeitskreises.
Neben dem Vertreter der TuP-Belegschaft, der bereits nach einer Sitzung aus dem Gremium ausgeschieden ist, hat, hat sich auch Grünen-Politikerin Lisa Mews in der vergangenen Woche aus der fünfköpfigen Arbeitsgruppe zurückgezogen. Dem Entschluss war offenbar ein weiterer Brief des Arbeitskreises an den OB vorausgegangen, in dem einmal mehr über die zu große Nähe von Aufsichtsratsmitgliedern und Geschäftsführer Bergmann geklagt worden war.
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Brief an Essens OB: „Es liegen genug Fakten auf dem Tisch“
Dass in diesem Klima von Misstrauen und Indiskretionen derzeit nur schwer für Vertrauen in die bestehenden Strukturen zu werben ist, weiß auch der Kulturdezernent. Al Ghusain betont allerdings, dass der Arbeitskreis keinesfalls nur weiße Salbe auf die geschundenen Mitarbeiterseelen streichen will: „Wir werden Schlussfolgerungen ziehen, die darauf ausgerichtet sind, die Situation zu verbessern.“
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Ob die allerdings so drastisch ausfallen, wie sich die Mitarbeiter erhoffen, sei dahingestellt. Nach Ansicht der TuP-Beschäftigten gibt es jedenfalls kein Zurück zur Tagesordnung. Sie fürchten ein „weiteres Aussitzen und Aufschieben der jahrelangen Probleme mit Herrn Bergmann“ und haben in einem offenen Brief an OB Thomas Kufen und den Aufsichtsrat in dieser Woche noch einmal Druck gemacht.
„Es liegen genug Fakten auf dem Tisch, die den Verbleib des Geschäftsführers in der TuP unmöglich machen“, heißt es da. Man fordere eine sofortige Freistellung Berger Bergmanns.
Theater und Philharmonie: Belegschaft beklagt ein Gefühl der Ohnmacht
Wasser auf die Mühlen der Mitarbeiter sind aktuelle Entscheide des Essener Arbeitsgerichts. Über 50 Prozesse soll es in den vergangenen drei Jahren gegeben haben. So erging erst in dieser Woche ein Urteil, die Einstellung des neuen technischen Direktors und seines stellvertretenden Direktors aufzuheben. Eine Entscheidung, deren mögliche weitreichende Folgen für den Bühnenbetrieb noch gar nicht abzusehen ist, denn der bisherige Stelleninhaber ist eilends an ein anderes Haus gewechselt.
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Seine Demission und die Versetzung eines Mitarbeiters vom Aalto ins Grillo-Theater hatten die Protestwelle innerhalb der Belegschaft zuletzt ins Rollen gebracht. Beklagt wird seither nicht nur das eigenmächtige Verhalten des Geschäftsführers, der alles an sich ziehe und Personalien am Betriebsrat vorbei entscheidet, sondern auch ein harscher und teils aggressiver Umgangston. Innerhalb der Belegschaft, heißt es, habe sich ein Gefühl der Ohnmacht angestaut.
Autoritärer Führungsstil ist den Theater-Mitarbeitern nicht fremd
Nun ist vielen langjährigen TuP-Mitarbeitern ein autoritärer Führungsstil nicht fremd. Auch unter dem damaligen Generalmusikdirektor Stefan Soltesz soll ein recht bestimmender Ton geherrscht haben. „Da ging’s um die Sache, um die Kunst“, heißt es rückblickend. Und zwischen den Zeilen klingt immer wieder durch, dass man sich bei allen Klagen über die starke Geschäftsführung offenbar auch von künstlerischer Seite mehr Rückendeckung erhofft.
Einer wie Soltesz „war immer da und hat sich immer vor seine Mitarbeiter gestellt. Der war schon sehr für die Kunst“, sagt einer der 400 Briefunterzeichner, die weiterhin anonym bleiben wollen.
So könnte zur Lösung der TuP-Krise auch gehören, die bisherigen Führungsstrukturen zu überdenken und von künstlerischer Seite zu stärken. Doppelspitzen sind derzeit nicht nur in der Politik im Trend. Vieles ist momentan im Gespräch, und das habe auch sein Gutes, findet eine TuP-Mitarbeiterin. „Wir sind zusammengewachsen. Alle Gewerke reden wieder viel mehr miteinander.“