Essen. Theater und Philharmonie: Mitarbeiter nennen Aufsichtsratsmitglieder befangen und verlassen Arbeitskreis. Er sei eine politische Beruhigungspille

Der Streit zwischen den Mitarbeitern und dem Geschäftsführer der Theater und Philharmonie (TuP), Berger Bergmann, hat eine weitere Eskalationsstufe erreicht: Neben Bergmann gerät nun auch der TuP-Aufsichtsrat in die Kritik der Theaterleute.

Im Januar noch hatten sich rund 400 Theater-Mitarbeiter in einem Brandbrief an den Oberbürgermeister und den Aufsichtsrat gewandt und Front gegen den Geschäftsführer gemacht. In dem Schreiben ist von einer Atmosphäre der Angst und Bedrohung und einem beschädigten Betriebsklima die Rede. Nun versteht man den Aufsichtsrat aber offenbar nicht mehr als Teil der Lösung, sondern bezeichnet ihn als „Teil des Problems“. Man habe das Vertrauen verloren, da das Gremium die Beschwerden der Mitarbeiter schon in der Vergangenheit nicht ausreichend ernst genommen habe, heißt es in einer Mitteilung an Oberbürgermeister Thomas Kufen.

TuP-Mitarbeiter nennen die Arbeitsgruppe eine „politische Beruhigungspille“

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Bislang haben sie gemeinsam alles im Griff: Berger Bergmann, Geschäftsführer der Essener Theater und Philharmonie GmbH (rechts), genießt nach wie vor die volle Rückendeckung von Aufsichtsrats-Chef Franz-Josef Britz.
Von Martina Schürmann und Wolfgang Kintscher

Konsequenz der Klage: Der Mitarbeiter-Vertreter hat sich nach nur einer Woche aus dem fünfköpfigen Arbeitskreis zurückgezogen, der die Vorwürfe gegen Bergmann prüfen soll. Die Loyalität der drei im Arbeitskreis vertretenen Aufsichtsratsmitglieder sei gegenüber Berger Bergmann „extrem stark“, heißt es zur Begründung, mehr noch: Die drei müssten aufgrund ihrer privaten Kontakte zum Geschäftsführer als befangen gelten. „Letztlich hat sich die Arbeitsgruppe als das entpuppt, was sie wohl auch sein wollte: eine politische Beruhigungspille“, lautet das nach einer einzigen Sitzung doch recht schnell gefasste Urteil.

OB Thomas Kufen hofft auf eine „Phase der Deeskalation“

Nicht nur Oberbürgermeister Thomas Kufen zeigt sich denn auch erstaunt über die harsche Abfuhr auf das gerade gestartete Vermittlungsverfahren. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir eine Phase der Deeskalation erreichen.“ Auch die Kritik an dem von ihm berufenen Vermittler Lothar Grüll mag Kufen nicht nachvollziehen. Dem langjährigen Verdi-Chef, der zuletzt an der Spitze der städtischen Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft (EVV) gewirkt hat, wird seitens der TuP-Mitarbeiter zur Last gelegt, dass er „aus dem Lager des Arbeitgebers (des Stadtkonzerns)“ komme. Das verhindere eine unabhängige Aufklärung. Laut Kufen soll der Arbeitskreis gleichwohl wie verabredet weiter arbeiten – nun ohne Beteiligung eines TuP-Mitarbeiters. Ende des Monates sollen verwertbare Ergebnisse vorliegen, die dann Grundlage einer möglichen Mediation sein könnten.

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Ob weitere Gesprächsangebote angesichts der verhärteten Fronten überhaupt noch Nutzen zeigen, muss sich herausstellen. Denn seitens der Arbeitnehmerschaft stellt man schon die Sinnhaftigkeit der Arbeitsgruppe grundsätzlich in Frage: „Die Arbeitsgruppe hat keine Entscheidungsgewalt, kann keine rechtlichen Konsequenzen bieten und ist in Bezug auf die Arbeitnehmerbeteiligung nicht paritätisch besetzt“, lautet die Kritik. Man fordere deshalb „eine unabhängige Person, die die Vorgänge bei der TuP objektiv untersucht“, heißt es in der Erklärung

Dezernent Muchtar Al Ghusain: „Der Aufsichtsrat ist dazu da, Aufklärung zu leisten“

Ein externer Schlichter ist derzeit allerdings nicht in Sicht. Es sei nun mal Aufgabe eines Aufsichtsrats, in „schwierigen Situationen zu reagieren und Aufklärung zu leisten“, wie Kulturdezernent Muchtar Al Ghusain betont. Der Rückzug der Arbeitnehmer sei höchst bedauerlich, findet der Vorsitzende der einberufenen Arbeitsgruppe. Dort zeigen sich nicht nur Aufsichtsratsmitglieder wie Grünen-Politikerin Lisa Mews bestürzt über die Vorwürfe seitens der Belegschaft. Man arbeite gewiss nicht parteiisch, „in gar keine Richtung“, betont Mews. Auch Muchtar Al Ghusain sieht keinen Sinn darin, „in wenigen Tagen maximale Eskalation zu erzeugen“, sondern plädiert in der Debatte für mehr Sachlichkeit: „Ein Geschäftsführer hat Anspruch darauf, dass man fair mit ihm umgeht.“

Von personellen Konsequenzen mag derzeit ohnehin niemand sprechen. Berger Bergmanns Geschäftsführer-Vertrag wurde 2018 für fünf weitere Jahre bis 2024 verlängert. Gegen den Willen der Arbeitnehmer-Vertreter, die damals schon versucht hatten, die Vertragsverlängerung zu verhindern. Danach sei aus der Belegschaft erst einmal kein weiteres Störfeuer gekommen, heißt es aus Kreisen der Politik. Es war, wie sich jetzt herausstellt, die Ruhe vor dem großen Proteststurm.

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